Zusammenfassung

Grenzüberschreitende Lieferungen sind regelmäßig im Abgangsland nicht steuerbar (Fernverkaufsregelung) oder von der Umsatzsteuer befreit (Ausfuhren, innergemeinschaftliche Lieferung), während vielfach im Bestimmungsland eine korrespondierende Besteuerung erfolgt. Ob die Lieferung tatsächlich im Abgangsland nicht mit Umsatzsteuer behaftet ist, hängt jedoch neben gewissen materiell-rechtlichen Voraussetzungen und der Erfüllung von Nachweispflichten zunächst davon ab, dass überhaupt eine warenbewegte Lieferung vorliegt und insbesondere bei sog. Reihengeschäften die Warenbewegung der betreffenden Lieferung zugeordnet werden kann. Nur eine bewegte Lieferung kann auch als grenzüberschreitende Lieferung steuerbefreit sein. Stellt sich nachträglich eine Fehlbeurteilung heraus, kann dies mitunter erhebliche steuerliche und ggf. sogar strafrechtliche Konsequenzen im In- und/oder Ausland nach sich ziehen. Durch eine rechtzeitige Vorsorge und eine entsprechende Einrichtung der generellen Lieferströme und von Sondersachverhalten können Fehler vermieden und im Zweifel ein Vertrauensschutz ermöglicht werden.

1 Problematik

Gelangt ein Gegenstand im Rahmen eines Liefergeschäfts aus Deutschland physisch in einen anderen Staat, ist die Lieferung dem Grunde nach als Ausfuhr (Drittland) oder im zwischenunternehmerischen Bereich als innergemeinschaftliche Lieferung (EU) steuerfrei.[1]

Vor dem Hintergrund, dass diese Lieferungen zwar steuerfrei sind, aber eingangsseitig einen vollen Vorsteuerabzug erlauben (sog. "echte" Steuerbefreiung)[2], sind insbesondere innergemeinschaftliche Lieferungen vielfach Gegenstand von Umsatzsteuerbetrugsmodellen, sodass die Finanzbehörden hier ein verstärktes Prüfverhalten an den Tag legen. Die Befreiungen sind an strenge Voraussetzungen geknüpft, die auch dezidiert nachzuweisen sind. Können Nachweise nicht erbracht werden oder stellt sich nachträglich heraus, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vorlagen, kann dies auch für redliche Unternehmer mitunter erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies gilt umso mehr, sofern eine spätere (liefervertragliche) Nachbelastung etwaiger Umsatzsteuer an den Kunden nicht mehr möglich ist und sich damit neben etwaigen Zinsbelastungen oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen für den liefernden Unternehmer als Steuerschuldner ein umsatzsteuerlicher Schaden ergibt. Sofern der Unternehmer in eine missbrauchsbehaftete Lieferkette involviert wurde und dies zumindest hätte wissen müssen, kann darüber hinaus der eingangsseitige Verlust des Vorsteuerabzugs drohen.[3]

Der Prüfung der Steuerbefreiungsvoraussetzungen vorgelagert, ist zunächst die Klärung der Frage, ob überhaupt eine in Deutschland steuerbare Lieferung vorliegt, in deren Rahmen die Ware an einen außerhalb Deutschlands belegenen Ort transportiert wird.

Eine Lieferung gilt grds. als in Deutschland ausgeführt, wenn die Ware von einem deutschen Abgangsort aus befördert oder versendet wird und keine abweichende Ortsbestimmung greift.[4] Als solche kommt beim Handel innerhalb der EU insbesondere die sog. Fernverkaufsregelung (früher: Versandhandelsregelung) in Betracht, wonach sich der Lieferort bei Lieferungen an Privatpersonen (B2C-Handel) – mit Ausnahme neuer Fahrzeuge – in das Bestimmungsland verlagert, sofern eine bestimmte Lieferschwelle überschritten wird.[5] Diese Lieferschwelle wurde zum 1.7.2021 EU-weit auf 10.000 EUR abgesenkt. In diese Schwelle sind auch Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie auf elektronischem Wege erbrachte Leistungen an Nichtunternehmer einzubeziehen.[6] Aufgrund der mittlerweile sehr niedrigen Schwelle findet im innergemeinschaftlichen B2C-Versandhandelsgeschäft mittlerweile fast immer eine Ortsverlagerung in das Bestimmungsland statt.

Bei zwischenunternehmerischen Transaktionen sind insbesondere Lieferungen abzugrenzen, bei denen die geschuldete Leistung erst am Bestimmungsort entsteht oder ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit geschuldet wird als der, der den Abgangsstaat verlassen hat. Folglich sind insbesondere sog. Werk- oder Montagelieferungen abzugrenzen. Dies sind Lieferungen, bei denen der Gegenstand am Bestimmungsort noch funktionsfähig gemacht, zusammengesetzt oder in bestehende Maschinen oder ein bestehendes Bauwerk integriert wird. Solche liegen wiederum dann nicht vor, wenn Ware (z. B. eine betriebsfertige Maschine) ausschließlich zu Transportzwecken auseinander gebaut und am Bestimmungsort wieder zusammengesetzt wird.[7]

Wird eine Lieferung mit Montage/Installation im Bestimmungsort geschuldet, verlagert sich der Lieferort in das Bestimmungsland und folglich ist die Lieferung in Deutschland bereits nicht steuerbar. Entscheidend für die Besteuerung ist dann, ob im jeweiligen Bestimmungsland ein Reverse-Charge-Verfahren greift oder der liefernde Unternehmer Steuerschuldner bleibt.

Lieferungen von Waren, bei denen die Waren im Zusammenhang mit der Lieferung transportiert werden, gelten grds. am Abgangsort als steuerbar. Werden diese Waren dabei in e...

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