Rz. 41

Nach dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG verankerten Maßgeblichkeitsprinzip bildet die unter Befolgung der GoB erstellte Handelsbilanz die Grundlage für die Steuerbilanz, also für die steuerliche Gewinnermittlung. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit wird durch explizite steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte durchbrochen; d. h. durch die Möglichkeit der unabhängigen Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist die Maßgeblichkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG eingeschränkt (Wahlrechtsvorbehalt). Damit hat der Gesetzgeber einen Vorrang des Steuerrechts angeordnet.[1] Sofern das Steuerrecht jedoch keine Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte vorsieht, sind handelsrechtliche Aktivierungsgebote, -verbote bzw. Passivierungsgebote, -verbote auch steuerlich zwingend. Aktivierungswahlrechte werden zu steuerlichen Aktivierungsgeboten, Passivierungswahlrechte zu steuerlichen Passivierungsverboten.[2]

 

Rz. 42

Für Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, richtet sich die Gewinnermittlung nach § 5 EStG. Für die Gewinnermittlung nach § 5 EStG gilt ebenfalls der allgemeine Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts[3] ist nach dem geänderten § 5 Abs. 1 EStG für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen GoB auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt. Die Steuerbilanz der Gewerbetreibenden kann deshalb grundsätzlich aus der Handelsbilanz, soweit sie den handelsrechtlichen Vorschriften entspricht, abgeleitet werden.

 

Rz. 43

Sind Handels- und Steuerbilanz zahlenidentisch, sodass nur eine Bilanz aufgestellt werden muss, so spricht man von einer Einheitsbilanz.[4] Sind hingegen die Bilanzansätze der Handelsbilanz steuerrechtlich nicht zulässig oder werden steuerliche Wahlrechte ausgeübt, ist die Aufstellung einer Einheitsbilanz nicht möglich. Es ist in diesen Fällen eine Anpassungsrechnung vorzunehmen oder eine besondere, von der Handelsbilanz abweichende Steuerbilanz aufzustellen (§ 60 Abs. 2 EStDV bzw. § 5b Abs. 1 Sätze 2, 3 EStG).[5]

 

Rz. 44

Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG die Aufnahme der Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse. Diese Verzeichnisse sind Bestandteil der Buchführung. Sie müssen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EStG den Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen enthalten. Bei der Ausübung steuerlicher Wahlrechte für Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sowie bei Umwandlungsvorgängen des Umwandlungssteuerrechts ist eine gesonderte Aufzeichnung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht erforderlich.[6] Da Tatbestandsvoraussetzung für eine wirksame Ausübung der steuerlichen Wahlrechte die laufende Führung des in § 5 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten Verzeichnisses ist, ist bei Fehlen oder Unvollständigkeit des Verzeichnisses der Gewinn durch die Finanzbehörde so zu ermitteln, als wäre das Wahlrecht nicht ausgeübt worden.[7] Bei erstmaliger Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts im Wege der Bilanzänderung ist dies durch eine Aufzeichnung zu dokumentieren.[8]

[1] Krumm, in Blümich, EStG, § 5 EStG Rz. 183, Stand: 5/2021.
[3] BilMoG v. 25.5.2009, BGBl 2009 I S. 1102.
[4] Falterbaum u. a., Buchführung und Bilanz, 23. Aufl. 2020, S. 503.
[5] Falterbaum u. a., Buchführung und Bilanz, 23. Aufl. 2020, S. 504.

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