Leitsatz

Der Gewinn aus der Veräußerung eines durch eine Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts innerhalb der Spekulationsfrist, die mit dem Erwerb der Altaktie beginnt, ist nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1986 (= § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG n.F.) zu versteuern.

 

Normenkette

Normenkette: § 6 Abs. 1 EStG , § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG , § 255 Abs. 1 HGB , § 186 AktG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb am 4.9.1986 (Streitjahr) 300 Daimler-Benz-Aktien für 405.431,88 DM und 600 VW-Aktien für 332.957,52 DM. Im Zusammenhang mit diesen Aktien wurden ihr nach entsprechenden Kapitalerhöhungsbeschlüssen Bezugsrechte gewährt, die sie am 3.10.1986 für 14.838 DM (VW-Bezugsrechte) und am 12.12.1986 für 292,10 DM (Daimler-Benz-Bezugsrechte) verkaufte. Das FA unterwarf die aus dem Verkauf der Bezugsrechte erzielten Erlöse als Einnahmen aus Kapitalvermögen (15.130,10 DM) der Besteuerung.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das FG insoweit statt. Dagegen richtet sich die Revision des FA.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH entspricht die Erfassung des Gewinns aus der Veräußerung der Bezugsrechte als Spekulationsgewinn auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 EStG. Danach sollten Wertsteigerungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Rahmen des Privatvermögens, die innerhalb der Spekulationsfrist realisiert werden, der Einkommensteuer unterworfen werden. Entstehe ein konkretes Bezugsrecht aus der Altaktie, so bedeute dies für den Aktionär wirtschaftlich eine Wertsteigerung seiner in der Aktie verkörperten Rechte, wenn es den Erwerb von jungen Aktien zu einem günstigen Kurs ermögliche. Der Aktionär könne diese Wertsteigerung zusammen mit der Aktie oder aber selbstständig durch Verkauf des Bezugsrechts realisieren.

 

Hinweis

1.§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfasst Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter, die innerhalb der im Gesetz festgelegten Spekulationsfrist angeschafft wurden. Der BFH hat sich insoweit der im Schrifttum vertretenen Auffassung angeschlossen, dass ein Bezugsrecht mit dem Erwerb von Altaktien angeschafft wird (so Bachem in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 23 Rz. 133). Anschaffungskosten können insoweit vorliegen, weil die Ausgabe von Bezugsrechten oder von neuen Gesellschaftsrechten aufgrund einer Kapitalerhöhung wirtschaftlich zu einer Abspaltung der in den Stammaktien verkörperten Substanz und deshalb zu einer Abspaltung eines Teils der ursprünglichen Anschaffungskosten führt, der jeweils den Bezugsrechten zuzurechnen ist.

2. Das Bezugsrecht ist auch mit der erworbenen Aktie teilweise identisch. § 23 EStG setzt für jeden einzelnen steuerbaren Vorgang Nämlichkeit (Identität) des angeschafften und des veräußerten Wirtschaftsguts voraus. Das allgemeine Bezugsrecht bleibt ebenso wie das Gewinnbezugsrecht dem Aktionär als Bestandteil seiner Aktie erhalten; auch wenn es als selbstständiges Wirtschaftsgut neben das Wirtschaftsgut Aktie tritt, bleibt es zum Teil mit der Aktie identisch, der es entstammt. Denn die Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts bleibt in seinen Teilen erhalten, wenn es durch bloßen Rechtsakt aufgeteilt wird (BFH-Urteil vom 19.7. 1983, VIII R 161/82, BStBl II 1984, 26).

3. Bei wirtschaftlicher Teilidentität zwischen Aktie und Bezugsrecht ist das Bezugsrecht als unselbstständiger Bestandteil der Aktie entgeltlich erworben. Welcher Teil des Gesamtentgelts auf das Bezugsrecht entfällt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Das FG muss die Werte von Stammaktien und Bezugsrechten nach der Gesamtwertmethode berechnen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.5.2003, IX R 9/00

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