Leitsatz

1. Betreibt eine Personengesellschaft als Inhaber eines Handelsgewerbes, an dem sich ein anderer atypisch still beteiligt, ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 EStG, unterhält sowohl die atypisch stille Gesellschaft, der dieses Unternehmen für die Dauer ihres Bestehens zugeordnet wird, als auch die Personengesellschaft jeweils einen selbständigen Gewerbebetrieb.

2. Der Inhaber des Handelsgewerbes hat für jeden dieser Gewerbebetriebe jeweils eine eigenständige Gewerbesteuererklärung abzugeben.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 14a Satz 1 GewStG 2002, § 15 Abs. 1, 2 und 3 EStG

 

Sachverhalt

An einer KG hatten sich Kommanditisten zugleich als atypisch stille Gesellschafter beteiligt. Die KG gab im Jahr 2003 eine GewSt-Erklärung für das Streitjahr 2002 ab. Das FA erließ einen GewSt-Messbescheid gegenüber der KG. Nach einer im Jahr 2004 durchgeführten und abgeschlossenen Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, mit Beteiligung der stillen Gesellschafter sei eine zweite Personengesellschaft KG & Still als Untergesellschaft der KG entstanden, deren Gewerbeertrag nicht mit Verlustvorträgen der KG verrechnet werden könne. Es erließ neben dem bestehen bleibenden GewSt-Messbescheid für die KG unter einer zweiten Steuernummer einen weiteren GewSt-Messbescheid für die KG & Still. Dieser Bescheid wurde erfolgreich angefochten; das FG hielt ihn wegen nicht hinreichender Bestimmung des Inhaltsadressaten für nichtig.

Daraufhin erließ das FA im Jahr 2009 erneut einen GewSt-Messbescheid, der an die KG als Inhaber des Handelsgewerbes für die mit den atypisch still Beteiligten gebildete KG & Still gerichtet war. Auch die dagegen gerichtete Klage war vor dem FG erfolgreich (FG Münster, Urteil vom 27.6.2012, 7 K 3732/10 G, Haufe-Index 3262810). Das FG war der Auffassung, es sei Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2008 eingetreten. Mit Abgabe der Steuererklärung für den gesamten Betrieb der KG habe die Anlaufhemmung für die Festsetzungsfrist geendet.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA zurück. Im Ergebnis zu Recht sei das FG vom Ablauf der Festsetzungsfrist ausgegangen. Zwar hätten die KG und die KG & Still jeweils einen eigenständigen gewerbesteuerlichen Betrieb unterhalten, für den auch jeweils eine Gewerbesteuererklärung hätte abgegeben werden müssen. Die einzige von der KG abgegebene Erklärung habe sich jedoch inhaltlich nicht auf ihren eigenen Betrieb, sondern auf den Betrieb der KG & Still bezogen und damit den Anlauf der Feststellungsfrist für die hier streitige Festsetzung des Messbetrags der KG & Still bewirkt.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft verfahrensrechtliche Fragen, die sich bei einer atypisch stillen Beteiligung an einer Personengesellschaft in Bezug auf die GewSt stellen. Bislang war nicht klar, ob für die Personengesellschaft selbst und außerdem auch für die atypisch stille Gesellschaft eigenständige GewSt-Erklärungen abzugeben und eigenständige GewSt-Messbeträge festzusetzen sind. Diese Frage bejaht der BFH. Im Ergebnis gelten die vom BFH hier entwickelten Grundsätze auch für atypisch stille Beteiligungen an Kapitalgesellschaften.

2. Für jeden Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 GewStG müssen eine GewSt-Erklärung abgegeben und ein GewSt-Messbetrag festgesetzt werden. Da der Gewerbebetrieb des Inhabers des Handelsgewerbes der atypisch stillen Gesellschaft für die Dauer ihrer Existenz zuzurechnen ist, muss für die stille Gesellschaft eine GewSt-Erklärung abgegeben werden. Darüber hinaus besteht nach dem hiesigen Urteil des BFH bei einer stillen Beteiligung an einer Personengesellschaft aber auch eine Pflicht zur Abgabe einer GewSt-Erklärung für die Personengesellschaft selbst, die (zumindest) in Gestalt ihrer Beteiligung an der stillen Gesellschaft einen eigenen Betrieb unterhält, der nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewerbebetrieb gilt. Ähnlich ist es bei einer stillen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, weil eine Kapitalgesellschaft immer einen Gewerbebetrieb unterhält, selbst wenn er nur in der Beteiligung an einer stillen Gesellschaft besteht.

Auch wenn damit zwei GewSt-Erklärungen abzugeben und zwei GewSt-Messbeträge festzustellen sind, besteht nicht die Gefahr einer doppelten GewSt-Belastung. Denn die Beteiligungserträge der Obergesellschaft werden nach § 9 Nr. 2 GewStG gekürzt.

3. In der Vergangenheit wird meist nur eine GewSt-Erklärung abgegeben und nur ein GewSt-Messbetrag festgesetzt worden sein. Soweit dies nun als fehlerhaft zu beurteilen ist, muss durch Auslegung des Bescheids geklärt werden, gegenüber wem der Messbetrag festgesetzt worden ist. Eine fehlende Festsetzung ist ggf. nachzuholen. Dabei wird der Ablauf der Festsetzungsfrist zu beachten sein. Dieser ist abhängig von der Dauer der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, also von der Abgabe der "richtigen" Steuererklärung. Enthält die Steuererklärung – wie im Urteilsfall – auf den Gewerbeertrag der stillen Gesellschaft bezogene Angaben, wird von einer Abgabe für die stille Gesellschaft a...

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