Leitsatz

Es steht auch Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst ­günstig zu gestalten. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO ist aber gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die -- gemessen an dem angestrebten Ziel -- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuer­liche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.

 

Normenkette

§ 42 AO, § 9, § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Betroffen sind -- wie im Regelfall bei missbrauchsverdächtigen Konstellationen -- vertragliche Beziehungen unter Angehörigen. Der Vater A hatte zwei Grundstücke erworben, nämlich S und B. Für den Erwerb von S nahm A bei seiner Mutter ein Darlehen von 90 000 DM auf. Den Erwerb von B finanzierte er ursprünglich mit einem Bankdarlehen, das er aber später durch Darlehensverträge mit seinen Töchtern T1 (und Ehemann) und T2 ersetzte.

Die Mutter des A (und Großmutter von T1 und T2) übertrug schließlich ihren Enkeltöchtern (T1 und T2) jeweils hälftig ihre gegenüber A bestehende Darlehensforderung. Dann übertrug A die Grundstücke B und S auf seine Töchter, die auch seine Kreditverpflichtungen übernehmen sollten. Hinsichtlich des Grundstücks S übernahm T2 die Darlehensverbindlichkeit des A gegenüber T1 i.H.v. 45 000 DM und T1 die Verbindlichkeit des A gegenüber T2 in der gleichen Höhe. In Bezug auf das Grundstück B gingen sie in gleicher Weise vor, nur dass dort der Ehemann der T1 eingebunden wurde.

In der Folge zahlten sich T1 und T2 gegenseitig Schuldzinsen, die sie im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der aus den Töchtern bestehenden Grundstücksgemeinschaft als Sonderwerbungskosten geltend machten. Die korrespondierenden Kapitalzinsen mussten sie wegen des Sparerfreibetrags nur teilweise versteuern.

Das FA bewertete die ganze Gestaltung als missbräuchlich, das FG (EFG 2007, 918) nur in Bezug auf das Grundstück S.

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FG und konnte beachtliche nichtsteuerliche Gründe für die Gestaltung nur in Bezug auf das Grundstück B erkennen, und zwar wegen der Einbeziehung des Ehemanns der T1; denn dieser hatte ein Interesse daran, nicht einen dritten Schuldner zu verlieren.

In Bezug auf das Grundstück S allerdings fehlen derartige Gründe. Hier wäre es angemessen gewesen, T1 und T2 hätten ihre Darlehensforderungen gegenüber A aufgegeben. Infolge dieser Gestaltung hat nun T1 eine Verbindlichkeit gegenüber T2 von 45 000 DM und T2 eine solche gegenüber T1 ebenfalls von 45 000 DM. Das dient allein dazu, den Schuldzinsenabzug aufrechtzuerhalten. Es handelt sich um gegenläufige, sich wirtschaftlich neutralisierende Geschäfte, die missbräuchlich sind.

 

Hinweis

Diese Entscheidung zu einem wirklich anschaulichen Fall entwickelt die Rechtsprechungslinie zu § 42 AO folgerichtig weiter. Wie im Leitsatz besonders hervorgehoben, können auch Angehörige ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig gestalten. Gestalten sie den Sachverhalt aber so, dass sich die Wirkungen gegenseitig aufheben und neutralisieren, kann diese Gestaltung nicht durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt werden.

Hier erreichen die Vertragsparteien eine Grenze, wie sie auch schon bei sich aufhebenden Vereinbarungen auf der Nutzungsebene vom BFH explizit gezogen wurde (BFH, Urteil vom 17.12.2003, IX R 56/03, BFH-PR 2004, 223). Ein ähnlicher Fall wie der Streitfall wäre die Über-Kreuz-Vermietung. Die Entscheidung zu § 42 AO a.F. wäre zu § 42 AO in der Fassung durch das JStG 2008 vom 20.12.2007 (BGBl I, S. 3150) nicht anders ausgefallen. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO liegt danach ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.08.2007, IX R 17/07

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