Leitsatz

Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt vor, wenn die Besteuerung von Zuflüssen aus einer Kapitalgesellschaft als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Ergebnis dadurch vermieden wird, dass

– zunächst das Entstehen einer wesentlichen Beteiligung dadurch verhindert wird, dass ein Aktionär (Vater) einen Teil der Aktien auf seine Kinder überträgt,

– die drei Hauptaktionäre der AG, nämlich der Vater und zwei Schwäger, über Jahre hinweg keine Dividendenausschüttungen beschließen und sich stattdessen die freien Mittel der Gesellschaft in Form von Darlehen zukommen lassen,

– die Aktien sodann an eine vom Vater beherrschte Personengesellschaft gegen Übernahme seiner Darlehensverpflichtung gegenüber der AG veräußert werden und

– die AG nach Veräußerung die Ausschüttung einer "Superdividende" in Höhe der den Gesellschaftern gewährten Darlehen beschließt, die bei der Erwerberin mit den übernommenen Darlehen verrechnet wird, zudem zur Wertlosigkeit der Aktien führt und es deshalb der Erwerberin ermöglicht, eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung vorzunehmen.

Das gilt jedenfalls dann, wenn nicht erkennbar ist, welche Vorteile die erwerbende Personengesellschaft aus der Transaktion ziehen könnte.

 

Normenkette

§ 42 AO , § 17 EStG , § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG

 

Sachverhalt

Eine in der Schweiz ansässige AG hatte Geräte vertrieben, die eine in Deutschland ansässige Schwestergesellschaft hergestellt hatte. Die Anteilseigner waren Mitglieder von drei Stämmen einer Familie, wobei auf jeden Stamm ein Drittel entfiel, das jeweils vom Vater und seinen Kindern gehalten wurde. Die AG hatte keine Gewinnausschüttungen vorgenommen, sondern seit Jahren ihre liquiden Mittel den Anteilseignern als Darlehen zur Verfügung gestellt. Nachdem die deutsche Produktionsgesellschaft in Konkurs gefallen war, stellte auch die AG im Wj. 1992/93 ihre Geschäftstätigkeit ein.

Im April 1995 erwarb die klagende GmbH & Co. KG die Anteile des Familienstamms A an der AG zum Preis von ca. 590 000 DM. Alleiniger Kommanditist der KG war einer der Anteilseigner der AG. Die KG erbrachte den Kaufpreis für den Erwerb der Anteile durch Übernahme der den Anteilseignern von der AG gewährten Darlehen sowie durch Mittel, die ihr von den Anteilseignern darlehensweise zur Verfügung gestellt wurden.

Im Mai 1995 beschloss die Gesellschafterversammlung der AG die Ausschüttung einer Superdividende, die nach Abzug der schweizerischen Quellensteuer mit den gewährten Darlehen verrechnet wurde. Die KG erfasste den Beteiligungsertrag von 582 884 DM in ihrer Gewinnermittlung, nahm aber gleichzeitig eine Teilwertabschreibung in Höhe von ca. 506 000 DM vor. Im Folgejahr kam es zur Abschreibung des Restwerts der Beteiligung.

Das FA hielt den Vorgang für eine i.S.d. § 42 AO missbräuchliche Anteilsrotation und berücksichtigte die Gewinnauswirkungen im Zusammenhang mit den Anteilen an der AG bei der KG nicht.

 

Entscheidung

Der BFH folgte der Auffassung des FA und hob das anderslautende Urteil des FG auf.

Anstelle einer zu Einkünften gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führenden Liquidation sei die Anteilsveräußerung gewählt worden, um die thesaurierten Gewinne in Gestalt eines- wegen der nicht überschrittenen Grenze wesentlicher Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG- nicht steuerbaren Veräußerungsgewinns zu vereinnahmen. Dass die KG einen Kaufpreis in Höhe der zu erwartenden Bruttodividende geleistet habe, der durch Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten getilgt und im Übrigen bis zur Erstattung der schweizerischen Verrechnungsteuer gestundet worden sei, könne nur mit der Beherrschung durch den Doppelgesellschafter erklärt werden.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft das heute nicht mehr interessante Modell der sog. Anteilsrotation. Mit diesem Begriff werden Gestaltungen umschrieben, durch die Kapitaleinkünfte vermieden werden sollen, indem Gewinne einer Kapitalgesellschaft thesauriert werden, bis der Anteilseigner seine Anteile veräußert und die gespeicherten Gewinne in Gestalt eines Veräußerungserlöses vereinnahmt. Lag die Beteiligung des Anteilseigners unter der früheren Grenze des § 17 EStG von 25 % bzw. 10 %, war der erzielte Veräußerungsgewinn nicht steuerbar, wenn der zeitliche Rahmen eines Spekulationsgeschäfts nach § 23 EStG überschritten war.

Heute sind solche Gestaltungen nicht mehr möglich, nachdem die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG seit 2001 auf 1 % abgesenkt worden ist. Bereits zuvor hatte der Gesetzgeber ab 1997 mit § 50c Abs. 11 EStG a.F. Anteilsrotationen uninteressant gemacht, indem der Erwerber für die Dauer von zehn Jahren keine Teilwertabschreibung mehr vornehmen durfte.

2. Im Grundsatz steht es im Belieben der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die erzielten Gewinne nicht als Dividenden auszuschütten, sondern stehen zu lassen. Spätestens mit Einstellung der werbenden Tätigkeit werden die Gesellschafter jedoch ihren Anteil an der infolge thesaurierter Gewinne vermögenden Gesellschaft zu Geld machen wollen. Das geschieht normalerweise durch Liquidation, wobei die Liquidation...

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