Veräußert und erwirbt der Steuerpflichtige an einer Börse mit taggleicher Ausführung Bezugsrechte und kann er aufgrund der Umstände seiner persönlichen Kenntnisse und seines Einflusses auf die Durchführung des Handels als Börsenmakler davon ausgehen, dieselbe Zahl von Bezugsrechten zum Verkaufspreis sicher wieder erwerben zu können, ohne die Kauforder eines Dritten fürchten zu müssen, kann in der Durchführung des Geschäfts ein Gestaltungsmissbrauch liegen.[1]

Verschenkt der Aktionär einer AG an seine minderjährigen Kinder jeweils fünf Aktien und veräußern diese jeweils zwei Aktien an einen dritten Erwerber, genügt dagegen ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Schenkung und Veräußerung allein nicht, um von einer gestaltungsmissbräuchlichen Zwischenschaltung der Kinder auszugehen, wenn nicht festgestellt wird, dass der Verkauf der Aktien vor der Schenkung bereits verhandelt und beschlossen war.[2]

Bei Cum/Cum-Transaktionen geht die Finanzverwaltung regelmäßig von Gestaltungsmissbrauch aus.[3]

Sind die Tatbestandsmerkmale der speziellen Missbrauchsvorschrift des§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG erfüllt, scheidet die Anwendung der Generalklausel des § 42 Abs. 2 AO aus. An der Abschirmwirkung des §32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ändert sich nichts dadurch, dass die Rechtsfolge der Verlustverrechnung mit den Einkünften aus anderen Einkunftsarten auch dadurch eintritt, dass die Anschaffungskosten sich an den angedienten Wertpapieren fortgesetzt haben (§ 20 Abs. 4a Satz 3 EStG), da dies nicht zu einem gesetzlich vorgesehenen Steuervorteil führt, sondern zunächst nur eine gesetzlich normierte Zuordnung ohne steuerliche Auswirkung ist. Der Barausgleich wird "systemkonform" der Abgeltungsteuer unterworfen (§ 20 Abs. 4a. 2 EStG).[4]

Inkongruente Gewinnausschüttungen stellen im Regelfall keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar. Die Wirkungen von § 42 Abs. 1 AO würden nach Auffassung des FG Münster überdehnt, wenn Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft bei einem Anteilseigner, der keine Ausschüttung erhalten hat, fiktiv als zugeflossen behandelt werden.[5] Im Übrigen existiert auch kein Rechtssatz, wonach inkongruente Gewinnausschüttungen grundsätzlich einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen. Denn sie sind gesellschaftsrechtlich zulässig, da die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft sich auf eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnbeteiligung verständigen können.[6] Grundsätzlich bestehen keine Bedenken, dem auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu folgen. Denn nahezu jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolgt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), stellt zugleich eine inkongruente dar. Es gibt keinen Grund, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, steuerlich hiervon abweichend zu behandeln .

Ob eine inkongruente Vorabgewinnausschüttung gestaltungsmissbräuchlich ist, ist bei zivilrechtlich wirksamen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschlüssen nach denselben Maßstäben zu beurteilen, die für satzungsgemäße inkongruente Ausschüttungen gelten.[7]

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