Leitsatz

Eine (partielle) Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG liegt vor, soweit der Erwerber das zunächst vom Veräußerer gepachtete – teilweise eigenbetrieblich genutzte und teilweise untervermietete – Grundstück nach dem Erwerb weiterhin teilweise vermietet.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 9 Abs. 1, § 13b Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1, § 15a Abs. 1, 5 und 10 UStG, Art. 19 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 5 Abs. 8 6. EG-RL (= EWGRL 388/77)

 

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte seit ca. 2007/2008 von der A-GmbH (A) ein Grundstück in X gepachtet. Dort befand sich u.a. sein Betriebssitz. Soweit keine Nutzung durch ihn selbst erfolgte, vermietete der Kläger das Grundstück unter.

Am 30.12.2010 erwarb der Kläger das Grundstück von A. Im Kaufvertrag verzichtete A gemäß § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG; es wurde festgehalten, dass der Kläger als Leistungsempfänger die USt schulde.

Der Kläger erklärte für das Jahr 2010 u.a. eine den Grundstückserwerb betreffende Steuerschuld gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG und zog die USt in derselben Höhe als Vorsteuer ab (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG). Steuerfreie Vermietungsumsätze erklärte er nicht.

In den USt-Erklärungen für die Jahre 2011 bis 2013 teilte der Kläger die Vorsteuern, die er nicht schon direkt seinen steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen aus seinem Gewerbebetrieb zugeordnet und in voller Höhe zum Abzug gebracht hatte, nach dem Verhältnis seiner steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätze auf. Außerdem berichtigte er nach § 15a Abs. 1 UStG die im Jahr 2010 abgezogenen Vorsteuern aus dem Grundstückserwerb im Umfang der steuerfreien Vermietungsumsätze.

Im Rahmen der Außenprüfung stellte die Prüferin fest, dass der Kläger das Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs zu 65,9 % für steuerpflichtige Umsätze und zu 34,1 % für den Vorsteuerabzug ausschließende, steuerfreie Vermietungsumsätze verwendet habe. Die nach § 13b Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1, § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG geschuldete USt sei daher im Jahr 2010 nur anteilig als Vorsteuer abzuziehen; der bislang berücksichtigte Vorsteuerabzug sei entsprechend zu mindern. Für die Vorsteuerberichtigung sei ebenfalls ein anderer Berichtigungsbetrag anzusetzen. Außerdem nahm die Prüferin wegen ungeklärter Geldzuflüsse Hinzuschätzungen zu den steuerpflichtigen Umsätzen vor, die nicht im Streit stehen.

Das FA setzte die USt für die Streitjahre dementsprechend höher fest. Der Einspruch, mit dem der Kläger vortrug, es liege in Bezug auf das Grundstück im Jahr 2010 eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor, blieb ebenso erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 28.6.2017) wie die Klage (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.3.2019, 2 K 2167/17, Haufe-Index 14688721, EFG 2019, 1943). FA und FG nahmen an, es handele sich nicht, auch nicht teilweise, um eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück. Soweit der Kläger das Grundstück nunmehr eigenbetrieblich nutzt, liegt keine Geschäftsveräußerung vor. Aber soweit er das Grundstück weiterhin vermietet (nun als neuer Eigentümer), liegt eine Geschäftsveräußerung vor.

 

Hinweis

Für eine umsatzsteuerrechtliche Geschäftsveräußerung einer vermieteten Immobilie i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG ist erforderlich, dass die Vermietungstätigkeit fortgeführt wird, aber nicht der konkrete Mietvertrag. Deshalb liegt auch eine Geschäftsveräußerung vor, soweit der bisherige Vermieter einer Immobilie diese an den bisherigen Mieter veräußert, der diese bisher untervermietet hatte. Auf diese Kernsätze kann man das Besprechungsurteil reduzieren.

Dieses Ergebnis mutet auf den ersten Blick irritierend an, wenn man (nur) auf die Mietverträge schaut: Setzt nicht der Untervermieter seine bisherige Vermietungstätigkeit (mit seinem bisherigen Untermietvertrag mit dem Untermieter) unverändert fort und die Vermietungstätigkeit des bisherigen Vermieters endet ersatzlos (indem der Mietvertrag mit dem Erwerber erlischt)? Scheitert daran nicht eine Geschäftsveräußerung? Die Antwort des BFH darauf lautet nein; denn der bisherige Untervermieter vermietet nach dem Erwerb (neu) als Eigentümer (aus eigenem Recht). Diese Vermietungstätigkeit aus eigenem Recht übte zuvor der bisherige Vermieter als Eigentümer aus. Ersatzlos entfallen ist die Untervermietung. Oder anders gesagt: Der bisherige Untermieter ist nicht mehr Untermieter, sondern Mieter.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.2.2021 – XI R 8/19

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