5.4.3.1 Vorbemerkung

 

Rz. 136

Nachstehend werden Probleme aus der Rechtsprechung aufgezeigt, die sich aus der vorzeitigen Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ergeben können. Die Erbengemeinschaft bedarf der Auseinandersetzung des während ihres Bestehens gesamthänderisch gebundenen Vermögens an die einzelnen Erben, da sie eine grundsätzlich auf Teilung angelegte Zufallsgemeinschaft ist. Sofern der Erblasser keine Teilungsanordnungen getroffen hat, können die Erben die Auseinandersetzung unter sich entsprechend ihren Vorstellungen regeln.

 

Rz. 136a

Auch wenn der Zeitpunkt der Auseinandersetzung bestimmt werden kann, führen immer wieder Streitigkeiten in Erbengemeinschaften dazu, dass sich steuerliche Nachteile ergeben. Die Erbengemeinschaft wird bei den Gewinneinkünften wie eine Mitunternehmerschaft und bei den Überschusseinkünften über § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als Bruchteilsgemeinschaft behandelt[1].

5.4.3.2 Fehlender manifestierter Wille des Übergebers

 

Rz. 137

Bei der ungeplanten Unternehmensnachfolge können sich aus dem fehlenden manifestierten Willen des Übergebers verschiedene Probleme ergeben:

  • Hinterlässt ein Erblasser mehrere Erben, geht sein Vermögen im Ganzen auf die Erben über und wird bei ihnen Gesamthandsvermögen[1]. Das gilt ebenso für ein im Nachlass enthaltenes gewerbliches Unternehmen. Nach dem Erbfall wird die Erbengemeinschaft Träger des Unternehmens und die Erben werden Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Gewinne und Verluste des Unternehmens werden der Erbengemeinschaft steuerlich anteilig zugerechnet. Diese Zurechnung endet erst, wenn sich die Miterben hinsichtlich ihres gemeinsamen Vermögens auseinandersetzen. Erst dann erfolgt die Verteilung des Vermögens an die Erben, woraus sich weitere einkommensteuerrechtliche Folgen bei den jeweiligen Erben hinsichtlich der übernommenen Einkunftsarten, der Fortführung der Buchwerte (Erwerb im Rahmen der Erbquote bei Realteilung) oder des Entstehens von Anschaffungskosten bei Ausgleichszahlungen ergeben.
  • Wird der Nachlass ohne Zahlungen von Abfindungen real geteilt, so spricht man von Realteilung. Erhält ein Miterbe bei der Realteilung wertmäßig mehr, als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und zahlt er für dieses "Mehr" an seine Miterben eine Abfindung, so liegt eine Realteilung mit Abfindungszahlungen vor. Im Gegenzug entstehen Anschaffungskosten beim Zahlenden und anteilige Veräußerungsgewinne bei den Veräußerern.

5.4.3.3 Zeitliche Rückwirkung der Erbauseinandersetzung

 

Rz. 138

Wird bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft eine zivilrechtliche Rückwirkung vereinbart, wirkt sich diese grundsätzlich nicht auf die steuerliche Beurteilung aus (steuerliches Rückwirkungsverbot). Das betrifft z. B. die Gewinn- und Verlustverteilung in der Vergangenheit. Ausnahmsweise ist eine Rückwirkung zulässig, wenn sie sich nur über eine kurze Zeit erstreckt[1]. Die Finanzverwaltung sieht eine rückwirkende Auseinandersetzungsvereinbarung in der Regel als unschädlich an, wenn diese innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall erfolgt[2].

 

Rz. 138a

Im Einzelfall hat der BFH auch längere Zeiträume zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung als steuerlich unschädlich angesehen[3]. Voraussetzung hierfür ist, dass das Unternehmen bereits durch eine Teilungsanordnung einem der Erben zugewiesen wurde. Dadurch werden dem durch die Teilungsanordnung begünstigten Erben die "Früchte" des ihm zugedachten Unternehmens i. S. v. § 99 BGB bereits ab dem Zeitpunkt zugerechnet, ab dem er die Durchführung der Teilungsanordnung verlangen kann[4]. Diese zivilrechtliche Zuordnung gilt auch steuerrechtlich[5].

5.4.3.4 Anschaffungskosten bei vorzeitiger Erbauseinandersetzung

 

Rz. 139

Bei Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft ergeben sich Probleme hinsichtlich der Frage, ob Anschaffungskosten bei vorzeitiger Auflösung der Erbengemeinschaft entstehen. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Erbe vorzeitig wegen Streitigkeiten ausscheiden möchte und dafür Abfindungszahlungen erhält. Bei einer Erbengemeinschaft können Aufwendungen eines Miterben Anschaffungskosten sein, wenn er z. B. die Erbanteile aller übrigen Miterben erwirbt. Wird das Gemeinschaftsvermögen hingegen im Wege der Auseinandersetzung durch Realteilung unter den Miterben verteilt, stellt die Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs keine Anschaffung dar[1].

 

Rz. 140

Die von einem Miterben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übernommenen Schulden der Erbengemeinschaft bilden insoweit Anschaffungskosten der von ihm übernommenen Nachlassgegenstände, als sie seinen Anteil am Nachlass übersteigen[2]. Das gilt ebenso bei der Auseinandersetzung per Zwangsversteigerung, wenn einer der Erben mehrere Grundstücke ersteigert: Ihm entstehen dann insoweit Anschaffungskosten, als seine Bargebote den ihm zustehenden ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge