Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Testament angefochten und beenden die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich des Inhalts, daß dem Testamentserben und dem Anfechtenden jeweils ein Teil der Erbmasse vom Tage des Erbfalls an, und zwar nebst den inzwischen erzielten Einkünften, zustehen soll, so ist dieser Vergleich grundsätzlich auch einkommensteuerrechtlich zu beachten.

 

Normenkette

StAnpG § 1 Abs. 3, §§ 4-5

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Revisionsklägerin (Frau X) und ihr verstorbener Ehemann wurden auf Grund eines Testaments Erben nach der am 13. Mai 1952 verstorbenen Frau Y. Zum Nachlaß gehörte neben erheblichem Grundbesitz auch ein Cafe mit Konditorei (im folgenden "Cafe"). Die Eheleute X (im folgenden als Eheleute bezeichnet) nahmen die Erbschaft an und führten das Cafe in der Rechtsform einer OHG weiter. Verwandte des Ehemannes der Erblasserin (im folgenden Erbengemeinschaft genannt) fochten das Testament an und erwirkten am 5. Dezember 1952 eine einstweilige Verfügung, durch welche den Eheleuten die Verfügung über den Nachlaß oder einzelne Nachlaßgegenstände untersagt wurde. Von da ab wurde das Cafe von dem Testamentsvollstrecker bis zum 19. Juni 1956 auf Kosten und Rechnung desjenigen geführt, der als rechtmäßiger Erbe Anerkennung finden würde.

In einem zwischen der Erbengemeinschaft und den Eheleuten geführten Rechtsstreit wurde vom Landgericht die Gültigkeit des Testaments durch Urteils vom 27. März 1956 festgestellt und daraufhin die einstweilige Verfügung vom 5. Dezember 1952 am 19. Juni 1956 aufgehoben. Der in der Berufungsinstanz anhängige Rechtsstreit gegen die vorgenannten Entscheidungen des Landgerichts wurde durch einen außergerichtlichen Vergleich vom 8. März 1957 beendet.

Nach diesem Vergleich nahm die Erbengemeinschaft die Berufungen gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts vom 27. März 1956 im Hauptprozeß und gegen das die einstweilige Verfügung aufhebende Urteil desselben Gerichts vom 29. Juni 1956 zurück. Die Erbengemeinschaft erkannte ausdrücklich an, daß das Testament der Erblasserin rechtsgültig sei und die Eheleute demgemäß ihre Alleinerben geworden seien. Sie erkannte ebenso die Rechtswirksamkeit des bereits erteilten Erbscheins und des Testamentsvollstreckungszeugnisses an. Zur Abgeltung der Ansprüche, welche die Erbengemeinschaft an den Nachlaß der Verstorbenen erhoben hatte, setzten sich die Parteien derart auseinander, daß die Erbengemeinschaft mit Wirkung vom Todestage der Erblasserin das Cafe erhielt, während die Eheleute den übrigen in A befindlichen Nachlaß bekamen. Zum Nachlaß gehörendes, in B gelegenes Vermögen sollte je zur Hälfte auf die Parteien übergehen. Nach Abschluß dieses Vergleichs übergaben die Eheleute der Erbengemeinschaft das Cafe "mit den Aktiven und Passiven, wie sie in den Büchern des Cafes geführt werden, also die Maschinen, Anlagen, Ausstattungen, Fuhrpark, Hilfsbetriebsmaterialien, Wertpapiere, Kassenbestände, Postscheckkonto, Bankkonto und alle Außenstände, ferner Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten und etwaige sich aus einer Vermögensabgabe .... ergebenden Verpflichtungen, und zwar dies alles mit dem Recht zur Weiterführung der Firma". Die Eheleute übernahmen "keine Gewähr für Größe, Güte, Umsatz, Gewinn, Beschaffenheit der Einrichtungen oder Bonität der Forderungen". Die Erbengemeinschaft erkannte die Verwaltung durch die Eheleute "ab Todestag der Erblasserin bis zur übergabe als für sie verbindlich an" und trat "in sämtliche Liefer-, Anstellungs- und sonstige Verträge ein". Sie verzichtete "auf die Geltendmachung irgendwelcher mit dem Cafe ... oder seiner Verwaltung zusammenhängender Ersatzansprüche gegen die Eheleute". Auf dem zum Nachlaß gehörenden Grundstück, auf dem das Cafe betrieben wurde, wurde zugunsten der Erbengemeinschaft ein dingliches Vorkaufsrecht eingetragen. Durch den Vergleich sollten alle gegenseitigen Ansprüche der Beteiligten hinsichtlich des Nachlasses abgegolten sein.

In der Zeit vom Mai 1952 bis zum März 1957 hatten die Eheleute rund 16.000 DM in bar und in Waren aus dem Betrieb des Cafes entnommen.

Das Finanzamt (FA) sah die Eheleute als Unternehmer des Cafes an und stellte dementsprechend die Gewinne vorläufig einheitlich und gesondert für die Jahre 1952 bis 1954 fest. Nach Abschluß einer Betriebsprüfung erließ das FA unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Betriebsprüfung endgültige Feststellungsbescheide für die Jahre 1952 bis 1955.

Die Eheleute legten Einsprüche ein. Der Einspruch für das Jahr 1952, über den das FA antragsgemäß vorab entschied, blieb ohne Erfolg.

Die Vorinstanz wies die Berufung der Eheleute zurück. Sie führte aus, im Steuerrecht seien die Gewinne und Verluste eines Betriebes demjenigen Steuerpflichtigen zuzurechnen, auf dessen Rechnung das Gewerbe betrieben werde. Unternehmer des Cafes seien für den Veranlagungszeitraum 1952 die Eheleute gewesen. Sie seien testamentarische Erben gewesen und hätten den Nachlaß und mit ihm das Cafe übernommen und auf ihre Rechnung weitergeführt. Bis zum 5. Dezember 1952 hätten sie allein über die Anlagewerte und Gewinne des Cafes verfügen können und dürfen und hätten das auch getan. In der späteren Zeit habe es nicht festgestanden, auf wessen Kosten und Rechnung das Cafe betrieben worden sei, weil ein Rechtsstreit über den Nachlaß geschwebt habe. Die Konditorei sei dann von dem Testamentsvollstrecker auf Kosten und Rechnung desjenigen geführt worden, der als rechtmäßiger Erbe Anerkennung finden würde. Dieser Rechtsstreit sei aber gerichtlich nicht entschieden worden, da die Erbengemeinschaft sämtliche Klagen gegen die Eheleute zurückgenommen und anerkannt habe, daß sie rechtsmäßige Erben seien. Aus welchen Gründen heraus diese Anerkennung erfolgt sei, sei steuerrechtlich unbeachtlich. Von Bedeutung sei allein die Tatsache, daß außer den Eheleuten niemand nach dem Tode der Erblasserin über das Cafe habe verfügen können und dürfen und hierüber auch niemand tatsächlich verfügt habe. Allein die Eheleute hätten bis zum 5. Dezember 1952 und vom 19. Juni 1956 ab über das Cafe verfügt. Durch die Aufhebung der einstweiligen Verfügung seien sie in die Lage versetzt worden, auch über die in der Zeit der Verfügungsbeschränkung angesammelten Gewinne zu bestimmen. Sie hätten auf Grund des Vergleichs das Cafe mit sämtlichen Aktiven und Passiven auf die Erbengemeinschaft übertragen und damit über das streitige Cafe verfügt. Die erheblichen Gewinne während der Zeit von 1952 bis 1957 seien daher allein den Eheleuten zugeflossen. Die im Betrieb im wesentlichen verbliebenen Gewinne hätten eine außerordentliche Wertsteigerung des Cafes zur Folge gehabt. Damit hätten die Eheleute ein geeignetes Objekt zur Verfügung gehabt, das sie der Erbengemeinschaft zur Abfindung der streitigen Ansprüche gegen den Nachlaß hätten anbieten können. Wäre das Cafe durch irgendwelche Umstände in seinem Wert stark gesunken gewesen, so wäre die Erbengemeinschaft wahrscheinlich niemals bereit gewesen, das Cafe als Abfindung der von ihr geltend gemachten Ansprüche anzunehmen. Die Eheleute hätten darüber hinaus auch während der Zeit der Verfügungsbeschränkung zu einem geringen Teil Entnahmen aus dem Cafe getätigt und hierbei kundgetan, daß sie sich als Unternehmer angesehen hätten. Durch den Vergleich habe nicht mit Bindung für das FA bestimmt werden können, wem die Gewinne aus einem Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden sollten. Eine solche Vereinbarung sei jedenfalls immer dann für das Steuerrecht wirkungslos, wenn sie für eine zurückliegende Zeit getroffen worden sei. Gegen die Höhe der Gewinne seien keine Einwendungen erhoben worden.

Gegen dieses Urteil legte die Ehefrau, die Alleinerbin ihres Ehemannes ist, Rb. ein, die nunmehr als Revision zu behandeln ist.

Zur Begründung trägt sie vor, nach der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung habe das Cafe mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft übergehen, in deren Namen und für deren Rechnung geführt werden und - wie § 7 des Vergleichs besage - ihre und ihres Ehemanns bisherige Tätigkeit nur als "Verwaltung" gelten sollen. Seit der Eröffnung des Testaments am 15. Mai 1952 sei streitig gewesen, ob es mit Erfolg angefochten werden würde, sie und ihr verstorbener Ehemann hätten also von Anfang an damit gerechnet, daß sie nur wie Verwalter tätig sein würden. Nach § 7 des Vertrages hätten auch die noch ausstehenden Steuerschulden auf die Erbengemeinschaft übergehen sollen. Davon sei diese auch ausgegangen, wie sich aus einem bereits früher zu den Akten gereichten, an sie und ihren Ehemann gerichteten Schreiben vom 30. Januar 1958 ergebe.

Sie und ihr Ehemann hätten praktisch keinen Nutzen aus dem Cafe gezogen, die Gewinne seien stehengeblieben, und wenn sie dennoch die Steuern tragen sollten, hätten sie Einnahmen zu versteuern, die sie nicht bezogen hätten. Das könnten sie nur aus der ihnen nach dem Vergleich zustehenden Vermögenssubstanz tun. In der Gestaltung durch den Vergleich liege keine verbotene rückwirkende Gestaltung von Steuertatbeständen. Die Steuerschuld entstehe, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Steuer knüpfe (§ 3 StAnpG). Maßgebend sei daher ausschließlich, ob der zur Entstehung der Steuerschuld erforderliche Tatbestand bereits vor Abschluß eines Vertrages verwirklicht gewesen sei oder erst durch den Vertrag verwirklicht werde. Das letztere sei hier der Fall gewesen. Vor Abschluß des Vergleichs sei der Bestand des Testaments fraglich gewesen und hätten sie und ihr verstorbener Ehemann nicht ohne die Gefahr der Inanspruchnahme durch die Erbengemeinschaft über das Cafe verfügen können. Tatsächlich hätten sie bei Gewinnen von rund 485.000 DM in der Zeit vom 13. Mai 1952 bis zum 8. März 1957 bis auf rund 19.000 DM einschließlich Sachentnahmen keinerlei Verfügung getroffen und vor allem keinen Einfluß auf die Führung des Unternehmens ausgeübt. Auch das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens habe nicht bei ihnen gelegen; denn eigenes Kapital hätten sie nicht investiert. Das Unternehmen sei vom Testamentsvollstrecker auf Kosten und Rechnung desjenigen geführt worden, der als rechtmäßiger Erbe Anerkennung finden würde. Sie und ihr Ehemann seien bei der Betriebsprüfung von der Finanzverwaltung nicht zugezogen worden. Auch sämtliche Steuererklärungen und Bilanzen seien ohne ihre Mitwirkung erstellt worden. Der Vergleich habe also keinesfalls einen bereits verwirklichten Steuertatbestand geändert, sondern lediglich die Ungewißheit über ein Tatbestandsmerkmal beseitigt, so daß erst mit Abschluß des Vergleichs der steuerliche Tatbestand voll verwirklicht gewesen sei. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei es nicht gerechtfertigt, sie - die Eheleute - als Unternehmer anzusehen. Hätte das Gericht das Testament für nichtig erklärt, so wäre damit die Erbengemeinschaft vom Todestag der Erblasserin an Unternehmerin und Steuerschuldnerin gewesen. § 5 StAnpG stelle ausschließlich auf das wirtschaftliche Ergebnis ab. Es sei darum nicht verständlich, warum der Sachverhalt bei gleichem wirtschaftlichen Ergebnis anders zu beurteilen sei, wenn das Urteil eines Gerichts nicht abgewartet, sondern vorher ein Vergleich geschlossen worden sei. Die Annahme der Vorinstanz, der Vergleich wäre wahrscheinlich nicht zustande gekommen, wenn das Cafe durch irgendwelche Umstände in seinem Wert stark herabgesunken wäre, sei durch nichts gestützt und entspreche keinesfalls dem Willen der Vertragsparteien, die eindeutig zum Ausdruck gebracht hätten, daß das Cafe mit Wirkung vom Todestag der Erblasserin an, als ja die Werterhöhung noch nicht eingetreten gewesen sei, der Erbengemeinschaft habe gehören sollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Feststellungsbescheids 1952. Die Eheleute waren nicht Steuerschuldner, der Feststellungsbescheid durfte daher nicht gegen sie ergehen.

I. Die Vorinstanz zerlegte den am 8. März 1957 geschlossenen Vergleich in zwei Teile, wenn sie annahm, der Vergleich habe die Eheleute als Erben bestätigt und ihnen damit auch die Verfügungsmacht über die angesammelten Gewinne zurückgegeben, und wenn sie dann eine Verfügung über diese Gewinne in der vergleichsweisen überlassung des Cafes an die Erbengemeinschaft sah. Beide Umstände - Anerkennung der Eheleute als Alleinerben durch die Erbengemeinschaft und überlassung des Cafes durch die Eheleute an die Erbengemeinschaft - können aber nur einheitlich gesehen werden. Sie stellen das Ergebnis eines Vergleichs dar, dessen Wesen darin besteht, daß die ihn Abschließenden den Streit oder die Ungewißheit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigen (§ 779 BGB). Ungewißheit bestand darüber, ob die Eheleute oder die Erbengemeinschaft Erben des gesamten Nachlasses und darunter des Cafes geworden waren. Ein Urteil hätte notwendigerweise nur das eine oder das andere feststellen können. Der abgeschlossene Vergleich stellte bei sachgerechter Betrachtung weder das eine noch das andere fest, es handelte sich vielmehr um einen Kompromiß der Beteiligten. Es war nicht so, daß der Hauptpunkt, um den gestritten wurde, nämlich die Frage, wer Erbe sei, zugunsten der Eheleute geregelt werden sollte, sondern die Eheleute erzielten diesen Erfolg nur, indem sie einräumten, daß die Gegenseite praktisch hinsichtlich eines erheblichen Teils der Erbschaft so behandelt werden sollte, als ob sie Erbe geworden wäre. Das bedeutete aber, daß sie vom Erbfall an Inhaber des Cafes war, wie dies auch eindeutig im Vergleichstext gesagt ist.

II. Es sind keine Gründe ersichtlich, dieser sachgerechten Lösung die steuerliche Anerkennung zu versagen.

Die Steuergesetzgebung trägt dem Umstand Rechnung, daß hinsichtlich der Besteuerungsmerkmale - und dazu gehört als eines der wichtigsten die Steuerschuldnerschaft - Unsicherheit herrschen kann. So gestattet sie in § 100 AO bei Ungewißheit über die Entstehung einer Steuerschuld, insbesondere hinsichtlich der Frage, wem ein Gegenstand gehört, die bloß vorläufige Veranlagung zur Steuer. Aber auch rechtskräftige Steuerfestsetzungen können unter gewissen Umständen berichtigt werden, wenn ein Schwebezustand beendet ist (§§ 4, 5 StAnpG), wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob diese letzteren Vorschriften bei Steuern, die laufend veranlagt werden, anwendbar sind, weil hier eine rechtskräftige Veranlagung noch nicht vorliegt.

Ein von der Rechtsordnung den Bürgern zur Verfügung gestelltes Mittel zur Beendigung der Unsicherheit über einen rechtserheblichen Sachverhalt ist der Prozeß. Im vorliegenden Falle wählten die Parteien zunächst diesen Weg. Wäre er zu Ende gegangen worden, so hätte eine mit dem Siegel der staatlichen Autorität versehene Feststellung vorgelegen. Die Rechtsordnung erkennt aber nicht nur den Prozeß als Mittel der Klärung an, ja, sie räumt ihm nicht einmal eine Vorzugsstellung ein oder läßt ihn gar als wünschenswertestes Mittel erscheinen. Sie geht vielmehr davon aus, daß vernünftige Bürger in erster Linie ihre Streitfragen selbst für sich verbindlich regeln, und erleichtert sogar die Durchsetzung solcher einverständlicher Regelungen, indem sie sie - falls ihre einwandfreie Beurkundung sichergestellt ist - für vollstreckbar erklärt (vgl. § 794 Abs. 1 Ziff. 1 und 5 der Zivilprozeßordnung).

Es liegt auch im Sinne des Rechtsfriedens, und es ist zur Vermeidung von Prozessen wünschenswert, daß gütlichen Regelungen nach Möglichkeit, insbesondere wenn sie sachgerecht erscheinen, die Anerkennung nicht versagt wird.

Allerdings können nicht alle zivilrechtlich gültigen Vereinbarungen auch steuerrechtlich anerkannt werden, weil das Steuerrecht im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen (§ 1 Abs. 3 StAnpG) sogenannten wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf das wirkliche wirtschaftliche Ergebnis abstellt. Die Steuerrechtsprechung hat aber in immer zunehmendem Masse im Interesse der Einheit der Rechtsordnung die bürgerlich-rechtlich wirksame Gestaltung der Rechtsverhältnisse anerkannt, sofern nicht vom steuerrechtlichen Standpunkt aus eine Sonderbehandlung erforderlich schien (vgl. z. B. das BFH-Urteil VI 355/62 U vom 3. Juli 1964, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 80 S. 103 - BFH 80, 103 -, BStBl III 1964, 511 mit weiteren Nachweisen).

Auf dem Gebiete des Erbschaftsteuerrechts haben Reichsfinanzhof (RFH) und BFH (vgl. die Urteile des RFH III e 24/38 vom 14. Juli 1938, RStBl 1938, 857, und III e 16/41 vom 30. Juli 1942, RStBl 1942, 1063, und das Urteil des BFH III 139/56 U vom 11. Oktober 1957, BFH 65, 555, BStBl III 1957, 447) von jeher anerkannt, daß das Ergebnis eines ernsthaft gemeinten Vergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse, nicht also die nachträgliche änderung unzweifelhafter erbrechtlicher Vorgänge bezweckt, anzuerkennen ist.

Auch in einkommensteuerlicher Hinsicht hat der BFH mehrfach sachgerechten Abreden der Beteiligten bei der Auseinandersetzung eines Nachlasses, soweit sie noch im angemessenen zeitlichen Abstand zum Erbfall erfolgten, Rechnung getragen (vgl. die Urteile VI 334/61 U vom 26. Juli 1963, BFH 77, 435, BStBl III 1963, 480, und VI 298/61 vom 8. Februar 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963, 250). Im vorliegenden Falle ist es auch nicht zu einer tatsächlichen Handhabung (etwa im Sinne des BFH-Urteils I 129/60 U vom 11. April 1961, BFH 73, 231, BStBl III 1961, 352) gekommen, die dazu zwingen könnte, die Eheleute ungeachtet der erbrechtlichen Verhältnisse als Unternehmer anzusehen. Denn der alsbald nach dem Erbfall einsetzende Streit um die Erbschaft, der sogar Niederschlag in der einstweiligen Verfügung fand, verhinderte eine solche faktische Gestaltung.

Die Grundsätze, die die Steuerrechtsprechung hinsichtlich der Nichtanerkennung von rückwirkend vereinbarten Gesellschaftsverhältnissen entwickelt hat, sind hier nicht anwendbar. Die Sachverhalte unterscheiden sich dadurch, daß bei der vereinbarten Rückwirkung ein bereits verwirklichter Sachverhalt rückwirkend durch einen anderen ersetzt wird, während es hier nicht um die änderung eines klaren Sachverhalts, sondern um die richtige Feststellung eines unklaren Sachverhalts geht, die durch Urteil erfolgt wäre, wenn die Parteien nicht an dessen Stelle einen Vergleich gesetzt hätten. Die Parteien haben damit einen Sachverhalt nicht gestaltet, sondern klargestellt, und zwar in dem Sinne, wie er möglicherweise durch ein Gericht auch klargestellt worden wäre. Anhaltspunkte dafür, daß die Beteiligten dabei mißbräuchlich verfahren wären, sind nicht ersichtlich.

Auch wirtschaftlich betrachtet ist es nicht abwegig, daß im Wege des Vergleichs die Erbengemeinschaft nicht nur das Geschäft, sondern auch die inzwischen erwirtschafteten Erträge haben sollte. Es ist in erster Linie Sache der Parteien eines Vergleichs, die Unsicherheit der Rechtslage abzuschätzen und dem durch die Gestaltung des Vergleichs Rechnung zu tragen.

Die Vorinstanz meint, den Eheleuten seien - wirtschaftlich gesehen - die Erträge des Cafes zugeflossen. Sie hätten sie stehen lassen und damit einen höheren Tauschwert bieten können. Die Vorinstanz sieht also in der vergleichsweisen Hingabe auch der Erträge eine Verwendung erwirtschafteten Vermögens. Bei dieser Argumentation ist indessen nicht berücksichtigt, daß von einer Vermögensverwendung nur die Rede sein kann, wenn man dieses Vermögen hat und darüber verfügen kann, was die Vorinstanz - wie oben gesagt - auch annahm. Solange indessen noch die Möglichkeit bestand, daß die im Cafe erwirtschafteten Erträge der Erbengemeinschaft zustanden und daß sie also bei einem Urteil von den Eheleuten ohnehin herauszugeben waren, lag die von der Vorinstanz unterstellte Prämisse, daß sie die ihnen gehörenden Erträge hingaben, nicht vor. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, die - wie ebenfalls schon ausgeführt - die gesamte Regelung umfassen muß, war es vielmehr so, daß die Beteiligten den Streit um die gesamte Erbschaft dadurch beendeten, daß sie jedem einen Teil des Vermögens, und zwar ab Erbfall und also mit den zugehörigen Erträgen, zuwiesen. Eine im Vermögensbereich liegende Verfügung durch die Eheleute scheint nur deshalb vorzuliegen, weil sie zunächst alles an Substanz und Erträgen in den Händen hatten. Sie behielten die Grundstücke und deren Erträge, die Erbengemeinschaft erhielt das Cafe und dessen Erträge. Die Erbengemeinschaft verfügte damit ebensowenig über die Erträge aus den Grundstücken wie die Eheleute über die Erträge des Cafes. Sie verfügen vielmehr über die Einkunftsquellen.

Die Eheleute haben allerdings Entnahmen aus dem Cafe gemacht. Wie diese zivilrechtlich im Verhältnis der Eheleute und der Erbengemeinschaft zu behandeln sind, ist in diesem steuerlichen Verfahren nicht zu klären. Wären sie nach dem Vergleich von den Eheleuten zu erstatten, so schieden sie ohnehin als Einkünfte aus. Wären sie dagegen ihnen zu belassen, so läge darin möglicherweise eine sich im Vermögensbereich abspielende Einkommensverwendung seitens der Erbengemeinschaft, der nach dem Vergleich das Cafe mit den Einkünften seit dem Erbfall zustehen sollte. Es wäre auch denkbar, daß die Entnahmen bei den Eheleuten als Lohn für ihre Verwaltung zu behandeln wären. Jedenfalls aber wären es keine Einkünfte, die im vorliegenden Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung zu erfassen wären.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412313

BStBl III 1967, 175

BFHE 1967, 387

BFHE 87, 387

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