Rz. 152

Nur wenn der Nießbraucher die Stellung eines Mitunternehmers einnimmt, wird er Inhaber der Einkunftsquelle. Das bedeutet, daß dem Nießbraucher die Herrschaftsrechte und die vermögensrechtliche Nutzung zusteht, während der Anteilsinhaber die Vermögenssubstanz behält. Mitunternehmer ist, wer wenigstens im gewissen Umfang Unternehmerinitiative entfalten kann und das mit einem Gewerbebetrieb verbundene Risiko in nicht unerheblichem Maße mit zu tragen hat. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung[1] für die Bejahung der Mitunternehmereigenschaft vor allem die Berechtigung zur Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschaft als wesentlich angesehen, da es das wichtigste Mitverwaltungsrecht in der Gesellschaft sei. Es vermittle die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, Unternehmerinitiative zu entfalten, soweit diese Unternehmerinitiative nicht dem geschäftsführenden oder vertretungsberechtigten Gesellschafter überlassen sei. Im Hinblick darauf, daß dem Nießbraucher kein Anteil an den stillen Reserven und am Geschäftswert gebührt, soweit diese erst bei Auflösung der Gesellschaft realisiert werden (im zivilrechtlichen Schrifttum herrscht der Standpunkt vor, daß der Nießbraucher Anspruch auf den entnahmefähigen Gewinn hat. Im Urt. v. 28.1. 1992, VIII R 207/85, DStR 1992, 711, hatte der BFH über eine mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung zu entscheiden, die darauf beruhte, daß eine GmbH auf eine andere GmbH Grundbesitz zum Buchwert übertrug, wobei die Differenz zwischen Teilwert und Buchwert 2,25 Mio. DM betrug und wobei an beiden Gesellschaften teilweise dieselben Personen beteiligt waren. Auch der BFH geht von der zivilrechtlichen Betrachtung und davon aus, daß der Begriff der Nutzungen auch den Gewinn eines Unternehmens umfaßt. Was unter Gewinn in diesem Zusammenhang zu verstehen ist, sieht er als noch nicht endgültig geklärt an. Er folgert daraus, daß hierzu bei einem Nießbrauch an einem GmbH-Anteil die gemäß Gewinnverteilungsbeschluß ausschüttungsfähige anteilige Gewinnquote gerechnet wird, daß dem Nießbraucher jedoch jedenfalls bei Gegenständen des Anlagevermögens ein Anteil an den stillen Reserven grundsätzlich nicht zustehe. Er verneint auch ertragsteuerlich eine Beteiligung des Nießbrauchers an den stillen Reserven, falls diese im Zusammenhang mit der Liquidation der Gesellschaft oder der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes aufgelöst werden (vgl. auch Petzoldt, DStR 1992, 1171/5; ebenso Biergans, DStR 1985, 327, 331ff.; Rodin, in Münchn. Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. II, 1991, § 30 Rz. 14). Neben der Beteiligung am Ergebnis der Gesellschaft ist erforderlich, daß der Nießbraucher im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern die mit der Mitgliedschaft verbundenen Verwaltungsrechte (z. B. Stimmrechte) ausübt und diese im Einzelfall praktische Bedeutung i.S. von Unternehmerinitiative haben[2], z. B. bei einem KG-Anteil das Widerspruchsrecht nicht ausgeschlossen ist oder der Nießbraucher im Verhältnis zu Dritten als weiterer Gesellschafter in Erscheinung tritt, insbesondere für Schulden der Gesellschaft mithaftet[3].

 

Rz. 153

Das Erfordernis der Mitunternehmerschaft gilt uneingeschränkt für die Fälle des Zuwendungsnießbrauchs. Dieselben Grundsätze sollten m. E. aber auch in den Fällen des Vorbehalts- und Vermächtnisnießbrauchs gelten. Vererbt z. B. ein Ehemann einen Anteil an einer Personengesellschaft seinen Kindern, räumt er aber gleichzeitig seiner überlebenden Ehefrau das Nießbrauchsrecht an diesem Anteil ein, so erhält die Ehefrau nur dann eine eigene Einkunftsquelle, wenn sie Mitunternehmerqualitäten hat.

Ist der Nießbraucher als Mitunternehmer anzusehen und verfügt er somit über eine eigene Einkunftsquelle, so erzielt er originäre Einkünfte aus Gewerbebetrieb; aber auch der Besteller bleibt Mitunternehmer, weil er weiterhin mit seinem Vermögen an der Gesellschaft beteiligt ist[4]. Das gilt zumindest dann, wenn seiner Beteiligung an den stillen Reserven und am Geschäftswert im Liquidationsfall mehr als theoretische Bedeutung zukommt, dem Nießbraucher nur der entnahmefähige Teil des Gewinnanteils zusteht und nach dem Gesellschaftsvertrag nicht der gesamte Gewinnanteil entnahmefähig ist[5].

Eine andere Auffassung vertritt Schulze zur Wiesche (DB 1983, 2539), der meint, daß der Anteilseigner, auch wenn ihm Gewinnanteile vom Nießbraucher überlassen würden, keine Einkünfte mehr aus Gewerbebetrieb beziehe. Der Anteilsinhaber sei nur ausnahmsweise Mitunternehmer, wenn ein gleichzeitiges Anstellungsverhältnis, Miet- und Pachtverhältnis — wirtschaftlich gesehen — ein Gesellschaftsverhältnis darstelle und der Anteilseigner über den Anstellungs-, Miet- oder Pachtvertrag weiter auf die Gesellschaft wie ein Gesellschafter Einfluß ausübe.

 

Rz. 154

Bezieht außer dem Nießbraucher der Anteilseigner Einkünfte, so muß eine einheitliche Gewinnfeststellung durchgeführt werden, wobei streitig ist, ob in einem besonderen Verfahren entsprechend der für Unterbeteiligungen entwickelten Rechtsprechung, was m. E. zu bejahen ...

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