6.4.1 Antrag des Zulageberechtigen

 

Rz. 20

§ 90 Abs. 4 S. 1 EStG in der Fassung bis 31.12.2023 knüpft die Festsetzung der Zulage an einen besonderen Antrag des Zulageberechtigten. Im Wesentlichen sind nach dieser Rechtslage folgenden Fallgruppen Grund für einen Antrag auf Festsetzung nach § 90 Abs. 4 EStG:

  • Der Zulageberechtigte hat keine Zulage erhalten oder die zunächst gewährte Zulage wurde nach Überprüfung der Angaben des Zulageberechtigten zurückgefordert.
  • Der Zulageberechtigte hat die volle Zulage erhalten, möchte jedoch einen förmlichen Zulagebescheid in den Händen halten.
  • Der Mindesteigenbeitrag wurde nicht erreicht, deshalb wurde die Zulage gekürzt.
  • Der Zulageberechtigte hat Kinderzulage nicht oder nicht im begehrten Umfang erhalten.
  • Der Zulageberechtigte stützt seinen Antrag darauf, statt unmittelbar zulageberechtigt mittelbar zulageberechtigt zu sein oder umgekehrt.[1]

Die Stellung eines Antrags nach § 89 EStG reicht nicht aus, um eine förmliche Festsetzung der Altersvorsorgezulage zu erwirken.[2] Mit dem Antrag auf Festsetzung wird das Verfahren eigener Art eingeleitet.

 

Rz. 20a

Infolge des JStG 2022 ändern sich die Anforderungen an den Adressaten des Antrags. Bislang ist der Antrag "schriftlich" an den Anbieter – nicht an die zentrale Stelle – zu richten. Der Anbieter leitet den Antrag an die zentrale Stelle weiter. Die Verpflichtung zur Weiterleitung bedeutet für den Anbieter, dass er den Antrag des Zulageberechtigten ohne Abänderung oder Zusammenfassung des Inhalts der zentralen Stelle zur Kenntnis bringen muss. Sofern seitens des Anbieters Unsicherheit darüber besteht, ob ein bestimmtes Vorbringen des Zulageberechtigten als Festsetzungsantrag zu werten ist, greift bereits die Verpflichtung zur Weiterleitung, da die rechtliche Bewertung der jeweiligen Äußerung Sache der zentralen Stelle ist.

Von der obigen Verpflichtung zur Weiterleitung ist die Weitergabe der wiederkehrenden Geschäftskorrespondenz zwischen Anbieter und dem Zulageberechtigten nicht umfasst. Die Antworten der Zulageberechtigten auf jährlich wiederkehrende Anschreiben vom Anbieter, mit der Bitte eventuelle Änderungen der persönlichen Daten auf einem beigelegten Formular einzutragen, sind regelmäßig keine Anträge auf Festsetzung und unterfallen somit § 90 Abs. 4 S. 3 EStG nicht. Ab 1.1.2024 muss die Antragstellung unmittelbar bei der zentralen Stelle erfolgen (§ 90 Abs. 4 S. 2 n. F.).

 

Rz. 20b

Hinsichtlich der Form ergeben sich dagegen trotz des angepassten Wortlauts von "schriftlich" zu "schriftlich und elektronisch" keine Änderungen. Einer Unterschrift des Zulageberechtigten bedarf es nicht, Textform genügt. Für diese Auffassung spricht nicht zuletzt die Nähe des Festsetzungsverfahrens zum Einspruchsverfahren (Rz. 19). Bei der elektronischen Übermittlung des Antrags kann auf eine qualifizierte elektronische Signatur und auf ein Verfahren nach § 87a Abs. 3 S. 4 und 5 AO (elektronisches Formular, De-Mail) verzichtet werden. Die Änderung dient explizit dem Bürokratieabbau im Rahmen der Digitalisierung.[3] Sie hat insofern lediglich klarstellende Funktion.

 

Rz. 20c

Die Jahresfrist für die Antragstellung beginnt mit "Erteilung der Bescheinigung nach § 92 EStG, die die Ermittlungsergebnisse für das Beitragsjahr enthält, für das eine Festsetzung der Zulage erfolgen soll" (§ 90 Abs. 4 S. 2 EStG). Dabei ist zu beachten, dass es bezüglich eines Beitragsjahrs mehrere Bescheinigungen nach § 92 EStG geben kann. Abzustellen ist in diesem Fall auf die jüngste Bescheinigung nach § 92 EStG, in der das streitgegenständliche Beitragsjahr aufgeführt wird. Für die Berechnung der Frist sind § 122 Abs. 2 und 2a AO sinngemäß anzuwenden (§ 18 Abs. 2 S. 2 AltvDV). Maßgeblich für die Wahrung der Frist ist der Eingang des Antrags beim richtigen Adressaten (Rz. 20a). Dies ist auch sachlich gerechtfertigt, da der Zulageberechtigte den Zeitpunkt der Weiterleitung des Festsetzungsantrags vom Anbieter an die zentrale Stelle bzw. ab 1.1.2024 innerhalb der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht beeinflussen kann. Wird die Antragsfrist versäumt, kann unter den Voraussetzungen des § 110 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

 

Rz. 20d

§ 90 Abs. 4 S. 2 EStG bestimmt lediglich das Ende der Frist. Erfährt der Zulageberechtigte – z. B. durch direkte Kontaktaufnahme mit dem Anbieter – bereits vor Erteilung der Bescheinigung nach § 92 EStG vom Inhalt eines Berechnungsergebnisses, ist ein Antrag auf Festsetzung bereits in diesem Verfahrensstadium möglich. Ein gegenteiliges Verständnis der Vorschrift, nach der ein Zulageberechtigter frühestens mit Erteilung der Bescheinigung nach § 92 EStG einen Antrag auf Festsetzung stellen darf, wäre reine Förmelei.

[1] Dieser Weg wird in der Praxis oftmals beschritten in Ermangelung eines Verfahrens zur gesonderten Feststellung der Zugehörigkeit zum nach § 10a EStG begünstigten Personenkreis; zu Hintergründen und der Frage der Bindungswirkung der Mitteilung nach § 91 Abs. 1 S. 4 EStG siehe § 91 EStG Rz. 14ff.
[3]...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge