Rz. 43

Die nach § 7i Abs. 2 EStG vorgeschriebene Bescheinigung ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Abschreibungen nach § 7i EStG. Die Bescheinigung darf gem. § 7i Abs. 2 S. 1 EStG nicht offensichtlich rechtswidrig sein. Offensichtlich rechtswidrige Bescheinigungen binden das FA ab Vz 2021 nicht mehr. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ist anzunehmen, wenn an dem Verstoß der streitigen Maßnahme/Bescheinigung gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn

  • offensichtlich eine Rechtsgrundlage für die Erteilung der Bescheinigung fehlt,
  • der Begünstigte die Bescheinigung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren.[1]

Die Bescheinigung hat die Qualität eines Grundlagenbescheids i. S. v. § 171 Abs. 10 AO.[2] Sie ist selbst dann verbindlich, wenn sie materiell-rechtlich falsch ist.[3] Ein Ablehnungsbescheid ist ebenso ein Grundlagenbescheid i. S. d. § 171 Abs. 10 AO.[4] Eine Bescheinigung ist nur insoweit bindend, als sie den Nachweis der denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen erbringt. Die Frage, ob die durch eine zuständige Behörde ausgestellte Bescheinigung insgesamt und für die Finanzbehörden verbindlich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7i EStG feststellt, dürfte nunmehr – ebenso wie für § 7h EStG (§ 7h EStG Rz. 56ff.) – dergestalt zu beantworten sein, dass die (Denkmalschutz-)Behörde nur die in seinem Kompetenzbereich liegenden Beurteilungen bindend feststellt.

Die zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG vorzulegende Bescheinigung ist im Falle von Wohnungseigentum von der zuständigen Landesbehörde für diese Eigentumswohnung auszustellen; eine Bescheinigung, die sich nur auf das Gesamtgrundstück bezieht, genügt nicht.[5]

Erfasst die Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG Tatbestandsmerkmale, die zugleich denkmalschutzrechtliche und steuerrechtliche Bedeutung haben, so ist die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Beurteilung auch steuerrechtlich bindend.[6]

Aus dem Urteil des BFH v. 22.10.2014[7] ergibt sich, dass bei § 7i EStG eine Bindungswirkung der Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG bezüglich der Höhe der begünstigten Herstellungskosten besteht. Nach § 7i Abs. 2 EStG sind die Voraussetzungen des § 7i Abs. 1 EStG für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachzuweisen, sodass diese Bescheinigung auch die Höhe der Aufwendungen enthalten muss.[8]

Der Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 5 AO unterliegen alle in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen. Innerhalb der Schätzungsbefugnis hat das FA die Frage zu beantworten, ob es im Streitfall die gesetzlichen Voraussetzungen eines Abzugsbetrags nach § 7i EStG vorläufig als gegeben ansieht. Falls es mit seiner Schätzung von der Feststellungserklärung abweichen will, muss es auch insoweit überprüfbar darlegen, aus welchem Grund die Anerkennung versagt werden soll.[9] Im Falle einer Berücksichtigung, ohne dass ein Grundlagenbescheid vorliegt (sog. "vorauseilender" Steuerbescheid)[10], sollte die Festsetzung insoweit vorläufig nach § 165 AO ergehen, um ggf. später eine Änderung entsprechend den Feststellungen im Grundlagenbescheid zu ermöglichen.[11]

 

Rz. 44

Über das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale und über Voraussetzungen, über die nicht entschieden wurde, haben die Finanzbehörden in eigener Zuständigkeit zu befinden. Erfasst die Bescheinigung Tatbestandsmerkmale, die zugleich denkmalschutz- und steuerrechtliche Bedeutung haben, so ist die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Beurteilung auch steuerrechtlich bindend, weil anderenfalls der Normzweck des § 7i EStG, denkmalschutzrechtlich erforderliche Investitionen zu begünstigen, durch eine abweichende steuerrechtliche Beurteilung der Finanzbehörden unterlaufen werden könnte.[12] Z. B. ist es nicht zulässig, für ein Gebäude die Anwendbarkeit von § 7i EStG mit der Begründung zu verneinen, es handle sich um eine "Architekturkopie" und mithin um einen Neubau (Rz. 19ff., 24), obwohl die Denkmalschutzbehörde das sanierte Gebäude (vorbehaltlos) als Baudenkmal eingestuft hat, die Identität des Gebäudes vor und nach den Sanierungsmaßnahmen bestätigt hat und die Herstellungskosten als zur Erhaltung dieses Baudenkmals erforderlich beurteilt worden sind.[13] Der Begriff des Neubaus ist also tatbestandsspezifisch im Zusammenhang des § 7i EStG auszulegen, sodass eine Bescheinigung, die die denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen eindeutig bestätigt, verbindlich ist.[14] Dies gilt, wenn in einer Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde (Bescheinigungsbehörde) der Hinweis fehlt, dass die steuerrechtlichen Fragen vom FA eigenständig zu prüfen sind.[15] Bei einer unklaren Bescheinigung tritt allerdings keine Bindungswirkung ein. Nach den Bescheinigungsrichtlinien sollen die Denkmalschutzbehörden zud...

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