1 Allgemeines

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 77 EStG wurde durch das JStG 1996 im Zusammenhang mit der Umgestaltung des bisherigen Kinderlastenausgleichs zum sog. Familienleistungsausgleich mit Geltung ab Vz 1996 eingefügt (zur Rechtsentwicklung s. § 31 EStG Rz. 3ff.).

Mit Bekanntmachung v. 8.10.2009[1] wurde das EStG neu gefasst. § 77 EStG blieb unverändert.

[1] BStBl I 2009, 3366.

1.2 Bedeutung

 

Rz. 2

Das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach §§ 347ff. AO kennt grundsätzlich keine Kostenerstattung. Der Einspruchsführer und das FA haben jeweils ihre eigenen Aufwendungen zu tragen. Eine Erstattung der Aufwendungen im Vorverfahren für einen Bevollmächtigten oder Beistand findet nur bei einem Obsiegen im finanzgerichtlichen Verfahren statt, soweit das FG die Zuziehung für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO). Hiervon abweichend bestimmt § 77 EStG bereits für das Einspruchsverfahren gegen die Kindergeldfestsetzung grundsätzlich die Erstattung der Kosten im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren, soweit der Einspruchsführer ganz oder teilweise obsiegt hat. Die Sonderregelung gilt nur für das Kindergeldfestsetzungsverfahren. Sie ist nicht entsprechend anwendbar auf das Einspruchsverfahren gegen einen ESt-Bescheid, mit dem ein Freibetrag für Kinder geltend gemacht wird. Die Regelung entspricht § 63 SGB I, der schon für das Kindergeld nach dem BKKG a. F. galt und weiterhin nach dem BKGG n. F. für das sog. Restkindergeld Anwendung findet. Dadurch sollte eine Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen Recht vermieden werden. § 80 VwVfG enthält eine entsprechende Bestimmung.

2 Erstattung eigener Aufwendungen (Abs. 1)

2.1 Erfolgreicher Einspruch (Abs. 1 S. 1)

 

Rz. 3

§ 77 EStG gilt nur für das förmliche Einspruchsverfahren (§§ 347ff. AO), auch wenn keine Klage folgt. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung des Rechtsbehelfs, sondern der damit verfolgte Zweck. Kosten für einen schlichten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO werden davon nicht umfasst, ebenso wenig wie Aufwendungen für den Antrag auf Kindergeldfestsetzung oder eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder eine bloße Gegenvorstellung oder auch einen bloßen Antrag auf eine Billigkeitsentscheidung.[1] § 77 EStG findet keine Anwendung, wenn sich ein Kindergeldberechtigter außergerichtlich erfolgreich gegen eine Einstellung der Kindergeldzahlung wendet.[2]

 

Rz. 4

Der Einspruch muss sich gegen die Kindergeldfestsetzung bzw. deren Aufhebung[3] richten. Mit umfasst sind entgegen dem Wortlaut alle Einspruchsverfahren in Kindergeldangelegenheiten, so Einspruchsverfahren gegen Abzweigungsentscheidungen[4], gegen die Ablehnung einer Kostenerstattung und bei Untätigkeitseinsprüchen.[5] Kosten für einen schlichten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, für eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder für einen Antrag auf eine Billigkeitsentscheidung (z. B. in Weiterleitungsfällen) werden davon nicht erfasst.[6]

Einspruchsverfahren mit anderem Verfahrensgegenstand fallen nicht unter § 77 EStG, z. B. Einspruch gegen einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO – anders ist es nur, wenn sich der Einspruch gegen einen Abrechnungsbescheid richtet mit dem Inhalt, dass wegen des Erstattungsanspruchs eines Sozialleistungsträgers kein Kindergeld an den Berechtigten gezahlt werde[7], gegen die ESt-Festsetzung wegen Nichtberücksichtigung eines Kinderfreibetrags.

Erstattungsberechtigt ist neben dem Einspruchsführer auch ein Dritter, der nach § 360 Abs. 3 AO zum Verfahren hinzugezogen wurde, wenn er entsprechende Anträge gestellt hat, z. B. der Kindergeldberechtigte im Einspruchsverfahren des Abzweigungsempfängers.

 

Rz. 5

Erstattungsfähig sind nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen. Zweckentsprechend sind alle Maßnahmen, die nach den gegebenen Verhältnissen ein verständiger Beteiligter zum Erreichen des erstrebten rechtlichen Erfolgs als sachdienlich und erforderlich ansehen durfte.[8] Abzustellen ist auf die vorausschauende, nicht die nachfolgende Beurteilung nach Ergehen einer Entscheidung. Notwendig sind alle Kosten, ohne die die sachdienliche Maßnahme nicht getroffen werden könnte, z. B. Reisekosten zur Akteneinsicht, Telefon- und Portogebühren, Kopierkosten u.Ä. Der eigene Zeitaufwand ist wegen Fehlens tatsächlich entstandener Aufwendungen nicht erstattungsfähig.[9]

2.2 Erfolgloser Einspruch (Abs. 1 S. 2)

 

Rz. 6

Die Erstattung von Kosten im Vorverfahr...

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