Rz. 147

Nach § 6b Abs. 7 EStG ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr der Rücklage um 6 % des aufgelösten Betrags zu erhöhen. Zweck der Vorschrift ist es, den Vorteil der zinslosen Stundung auszugleichen, den der Stpfl. dadurch erlangt hat, dass er die Rücklage ohne anschließende Übertragung auf ein Reinvestitionsgut ausgenutzt hat. Im wirtschaftlichen Ergebnis handelt es sich sonach um die Verzinsung und damit den Gegenwert dafür, dass sich der betreffende Veräußerungsgewinn steuerlich nicht im Wirtschaftsjahr seines Entstehens, sondern erst in einem Folgejahr auswirkt.[1] Daneben soll die missbräuchliche Inanspruchnahme von Rücklagen nach § 6b Abs. 3 EStG verhindert werden.[2] Da es dem Stpfl. außerdem freisteht, ob er von der Rücklagenbildung Gebrauch macht, ist es gerechtfertigt, einen Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG unabhängig von der Höhe des wirtschaftlichen Vorteils im Einzelfall in Ansatz zu bringen. Der Nachteil des Gewinnzuschlags ist zudem konsequent, wenn man berücksichtigt, dass § 6b EStG Reinvestitionen fördern will, um die Anpassung des Betriebs an zeitgemäße wirtschaftliche Bedürfnisse zu erleichtern.

 

Rz. 148

Die Regelung des § 6b Abs. 7 EStG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art. 3 Abs. 1 GG, denn es ist sachlich gerechtfertigt, die verschiedenen Sachverhalte, d. h. Rücklage mit Übertragung (Reinvestition) einerseits und Rücklage ohne Übertragung (Reinvestition) andererseits, unterschiedlich zu regeln.[3] Bedenklich erscheint aber die Höhe des Zuschlags von 6 %, die mit Blick auf das langjährige Niedrig- bzw. Nullzinsniveau jedenfalls zeitweise gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen dürfte.[4] Die nachteilige Wirkung verschärft sich insbesondere nach Verlängerung der Reinvestitionsfristen und Rücklagenzeiträume seit 1.1.1990 von 2 auf 4 bzw. 4 auf 6 Jahre. In den Fällen des § 6b Abs. 8 EStG beträgt die Frist sogar 7 bzw. 9 Jahre. Die Verzinsungsregelung kann daher zu einem Gewinnzuschlag bis zu 56 % der Rücklage führen. Der Gewinnzuschlag wird unabhängig davon erhoben, ob es in dem Jahr der Rücklagenbildung überhaupt zu einem Steuerstundungseffekt kam, auf die tatsächliche Gewinnsituation des Unternehmens kommt es nicht an.

 

Rz. 149

Die Anwendung des § 6b Abs. 7 EStG beschränkt sich auf die Fälle des § 6b Abs. 3 S. 5 EStG, in denen die Rücklage aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag auf ein Reinvestitionsgut übertragen worden ist. Damit ist klargestellt, dass der Gewinnzuschlag nicht nur in Fällen der Zwangsauflösung der Rücklage vorzunehmen ist, sondern auch bei freiwilliger vorzeitiger Auflösung. Die Gewinnerhöhung ist für das Wirtschaftsjahr vorzunehmen, dessen Schlussbilanz die Auflösung aufweist. Die Rücklage hat daher auch dann während des ganzen Wirtschaftsjahres bestanden, wenn sie buchungstechnisch bereits während des laufenden Wirtschaftsjahres aufgelöst wird.[5] Die aufgelöste Rücklage muss nicht zu Recht gebildet worden sein. Es reicht aus, wenn eine unter Berufung auf § 6b EStG tatsächlich gebildete Rücklage aufgelöst wird.[6] Auch bei unterjähriger Auflösung der Rücklage ist der Gewinnzuschlag für ein volles Wirtschaftsjahr anzusetzen.[7] Die Gewinnerhöhung ist außerhalb der Bilanz vorzunehmen. Eine Rückstellung darf für diese mögliche "fiktive Einnahme" nicht gebildet werden (§ 249 Abs. 2 S. 1 HGB).[8]

 

Rz. 150

Gewerbesteuerrechtlich wird der Gewinnzuschlag von der erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG – anders als der Gewinn aus der Auflösung einer gem. § 6b Abs. 3 EStG gebildeten Rücklage – nicht erfasst. Da es sich im wirtschaftlichen Ergebnis um eine Verzinsung handelt, entfällt der Gegenwert im Gegensatz zu dem über die Rücklage "gestundeten" Veräußerungsgewinn nicht auf die Verwaltung des Grundbesitzes, sondern vielmehr auf das in der Rücklage gespeicherte Kapital. Mit dem Zuschlag wird somit derjenige Gewinn pauschaliert erfasst, der auf eine Kapitalnutzung entfällt. Dafür sieht das Gesetz gem. § 9 Nr. 1 S. 2 a. E. GewStG ausdrücklich keine Kürzung vor.[9]

 

Rz. 151

Auch Rumpfwirtschaftsjahre sind volle Wirtschaftsjahre, für die nach dem Gesetzeswortlaut ein Zuschlag von 6 % zu machen ist. Das folgt aus dem Zweck der pauschalen Berechnungsmethode, die nach der gesetzgeberischen Zielsetzung die im Einzelfall oft schwierige Ermittlung des konkreten wirtschaftlichen Vorteils unter Beachtung von Zins und Zinseszins und dem jeweiligen Steuersatz vermeiden will.[10] Nach dem Gesetzeswortlaut kommt bei Rumpfwirtschaftsjahren auch eine Verzinsung der einzelnen Monate mit nur 0,5 % nicht in Betracht.[11] Eine Zwölftelung widerspräche auch dem Sinn der Pauschalierung. Umgekehrt ist auch bei einem verlängerten Wirtschaftsjahr (§§ 8b, 8c Abs. 2, 84 Abs. 2 EStDV) nach der in § 6b Abs. 7 EStG getroffenen Regelung keine Erhöhung des Gewinnzuschlags von 0,5 % je Verlängerungsmonat vorzunehmen.[12]

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