Rz. 20

Die Änderung der Berechtigtenbestimmung im laufenden Kindergeldbezug führt zu der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gegenüber dem bisher bestimmten Berechtigten nach § 70 Abs. 2 EStG und zur Festsetzung gegenüber dem nunmehr bestimmten Berechtigten mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung. Die Festsetzung für den bisher vorrangig Berechtigten ist aber erst ab dem Folgemonat aufzuheben oder zu ändern, da die Anspruchsberechtigung den gesamten Monat umfasst (§ 66 Abs. 2 EStG). Ergibt sich für den neuen Berechtigten ein höherer Kindergeldanspruch (z. B. aufgrund eines Zählkindervorteils), ist der Mehrbetrag ab dem Monat des Berechtigtenwechsels gegenüber dem nunmehr Berechtigten festzusetzen. Die Zahlung des Mehrbetrags für die Zeit vor der Änderung ist nicht möglich, da der Anspruch gegenüber dem bisherigen Berechtigten durch Erfüllung erloschen ist. Für abgelaufene Monate kann die Berechtigtenbestimmung nur geändert werden, wenn noch keine bestandskräftige Kindergeldfestsetzung vorlag[1] (Tz. 64.4 Abs. 1, 2 DA-FamEStG).

 

Rz. 21

Geht die Vorrangstellung wegen Aufnahme in einen anderen Haushalt oder wegen höherer Unterhaltsleistungen auf eine andere Person über, wird die Kindergeldfestsetzung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gegenüber dem nicht (mehr) Berechtigten ebenfalls erst mit Wirkung vom folgenden Monat an aufgehoben (§ 70 Abs. 2 EStG).[2] Das gezahlte Kindergeld wird zurückgefordert (§ 37 Abs. 2 AO). Der Einwand des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) greift gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO nicht ein.[3] Gegenüber dem nunmehr vorrangig Berechtigten wird das Kindergeld ab dem Monat, in dem die Vorrangstellung erlangt wurde, (rückwirkend) festgesetzt.

 

Rz. 22

Hat die Familienkasse wegen fehlender Kenntnis von dem Berechtigtenwechsel das Kindergeld weiterhin an den bisher Berechtigten ausgezahlt und hat der jetzt nicht mehr Berechtigte das Kindergeld an den (nunmehr) vorrangig Berechtigten weitergeleitet (sog. Weiterleitungsfälle), wird der Nichtberechtigte als Erstattungsschuldner geltend machen, das Kindergeld an den Berechtigten weitergeleitet zu haben ("Weiterleitungseinwand"). Nach V 36 DA-KG 2016 wird die Weiterleitung des Kindergelds von dem nunmehr Bevorrechtigten als Erfüllung des Erstattungsanspruchs gegenüber der Familienkasse angesehen.[4] Die Weiterleitung wird aus Vereinfachungsgründen als Erfüllung des Rückforderungsanspruchs im verkürzten Zahlungsweg berücksichtigt.[5] Grundsätzlich bleibt allerdings der nicht mehr Berechtigte erstattungspflichtig, da er Leistungsempfänger ist. Auch wenn das Kindergeld auf Anweisung des wegen der Änderung der Verhältnisse nicht Berechtigten an den Berechtigten ausgezahlt worden ist, bleibt gleichwohl der nicht Berechtigte erstattungspflichtig. Ein Dritter als tatsächlicher Empfänger einer Zahlung ist nicht Leistungsempfänger, wenn die Familienkasse aufgrund einer Anweisung des Vergütungsberechtigten an den Dritten zahlt.[6] Die Familienkasse braucht im Weiterleitungsverfahren Unterhaltsvereinbarungen oder Unterhaltszahlungen nicht zivilrechtlich überprüfen.[7]

Bei der Behandlung der Weiterleitung als Erfüllung des Erstattungsanspruchs handelt es sich um eine Billigkeitsmaßnahme im Rahmen einer Ermessensentscheidung, für die ggf. ein gesondertes Rechtsbehelfsverfahren durchzuführen ist.[8] Der BFH hat noch nicht endgültig geklärt, ob es sich um ein (gesondertes) Billigkeitsverfahren handelt[9] oder ob der auf Treu und Glauben gestützte Weiterleitungseinwand auch im Erstattungsverfahren (Verfahren über den Rückforderungsbescheid) geltend gemacht werden kann.[10] Die Verwaltung verlangt jedenfalls eine schriftliche Bestätigung über die Weiterleitung auf amtlichem Vordruck.[11] Die Weiterleitungsbestätigung ist nicht widerrufbar.[12] Dieses Erfordernis ist sachgerecht.[13] Anderenfalls bestände für die Familienkasse das Risiko der doppelten Zahlung des Kindergelds.[14] Wird nur ein Teil des Kindergelds oder nur der Betrag für einige Monate weitergeleitet, tritt nur insoweit die Erfüllungswirkung ein.

Eine Weiterleitung i. d. S. liegt nicht vor, wenn der Berechtigte sich eigenmächtig den Kindergeldbetrag von dem Nichtberechtigten verschafft, indem er z. B. unbefugt über dessen Konto verfügt[15] oder sich unbefugt einen an den Nichtberechtigten übersandten Scheck aneignet.[16]

 

Rz. 23

Bei einem höheren Kindergeldanspruch aufgrund der Vorrangänderung ist ein Mehrbetrag nachzuzahlen. Bei einem geringeren Anspruch hat der Nichtberechtigte die Mehrbeträge zu erstatten.[17]

 

Rz. 24

Ein nachrangig Berechtigter kann sich dann nicht erfolgreich auf die Weiterleitung des Kindergelds an den vorrangig Berechtigten berufen, wenn der Kindergeldanspruch des vorrangig Berechtigten wegen fehlender Mitwirkung bestandskräftig abgelehnt worden ist. Denn eine Billigkeitsregelung für den Erstattungsanspruch kann nur in Abhängigkeit vom Festsetzungsverfahren ergehen.[18]

 

Rz. 25

Ein Billigkeitserlass von Kindergeldrückford...

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