Rz. 17

Die Einleitung zu § 6 Abs. 1 EStG ("Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter, die nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG als Betriebsvermögen anzusetzen sind, gilt das Folgende:") stellt heraus, dass die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG i. V. m. den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung anzusetzen sind, während sie nach § 6 EStG – unter Berücksichtigung der Vorschriften über die AfA nach § 7 EStG – zu bewerten sind. M. a. W., ob ein Wirtschaftsgut gegeben und wie es zu aktivieren ist, richtet sich nach § 4 Abs. 1 EStG und § 5 EStG. Erst wenn beides zu bejahen ist, regelt § 6 EStG die Bewertung des Wirtschaftsguts.

 

Rz. 18

Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist § 6 EStG nur eingeschränkt anwendbar. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage für die AfA sind allerdings ebenso wie bei den Gewinneinkünften nach § 4 Abs. 1 EStG und § 5 EStG auch bei den Überschusseinkünften nach § 6 Abs. 1 EStG zu ermitteln und im Wege der AfA auf die Nutzungsdauer zu verteilen.[1] Eine Teilwertabschreibung ist aber bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG – ebenso wie bei anderen Überschusseinkünften – nicht möglich.

 

Rz. 19

Gegenüber der Bewertung mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 EStG finden sich zahlreiche Spezialregelungen: Beim Tausch eines einzelnen Wirtschaftsguts bemessen sich die Anschaffungskosten nach § 6 Abs. 6 EStG nach dem gemeinen Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts. Als Bewertungsmaßstab dient der gemeine Wert nach § 16 Abs. 3 S. 7 EStG für nicht veräußerte Wirtschaftsgüter und nach § 17 Abs. 2 S. 2 EStG für verdeckt eingelegte Anteile. Besondere Bewertungsvorschriften finden sich in den §§ 6a bis 6d und in den §§ 7a, 7g, 7h, 7i EStG. Spezielle Regelungen für die Anschaffungskosten gibt es im UmwStG, z. B. in § 4 Abs. 1, § 20 Abs. 3 und § 24 UmwStG.

 

Rz. 20

Mit Wirkung v. 1.1.1998 sind an die Stelle der "Einheitswerte des Betriebsvermögens" die "Werte des Betriebsvermögens" getreten. Dabei ist das Betriebsvermögen nach § 109 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert i. S. v. § 11 Abs. 2 BewG etwa für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung anzusetzen. § 109 BewG wurde neu gefasst m. W. v. 1.1.2009 durch G. v. 24.12.2008.[2]

 

Rz. 21

Das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB gilt auch im Steuerrecht.[3] Es teilt sich auf in das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip. Nach dem Realisationsprinzip sind Gewinne nur auszuweisen, wenn sie am Bilanzstichtag realisiert sind. Dementsprechend trennen § 255 HGB und § 6 EStG Anschaffungs- und Herstellungsaufwand, der bis zu einem gewinnrealisierenden Umsatzakt lediglich zu einer erfolgsneutralen Vermögensumschichtung führt, von sofort erfolgswirksamem Aufwand. Um eine periodengerechte Gewinnermittlung zu ermöglichen, sollen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zunächst nur zu einer Vermögensumschichtung, nicht aber zu einer Vermögensmehrung oder -minderung führen. Erst die Folgebewertung bzw. der spätere Abgang wirken erfolgswirksam.

 

Rz. 22

Zugleich vermeiden § 255 HGB und § 6 EStG durch den Ansatz der Anschaffungs- und Herstellungskosten als Obergrenze der Bewertung einen unzulässigen Ausweis nicht realisierter Gewinne. Dadurch, dass eine Bewertung mit dem gemeinen Wert durch § 6 Abs. 1 EStG ausgeschlossen ist, bleiben Werterhöhungen solange unberücksichtigt, bis sie durch einen Umsatzakt oder durch eine erfolgswirksame Entnahme realisiert worden sind. Das Verbot des Ausweises nicht realisierter Gewinne nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB dient der nominellen Kapitalerhaltung und der Bilanzwahrheit.

 

Rz. 23

Dem vorstehenden "Höchstwertprinzip" zur Vermeidung nichtrealisierter Gewinne steht das "Niederstwertprinzip" bei Wertminderungen des Betriebsvermögens gegenüber: Diese sind nach dem sich aus § 6 Abs. 1 EStG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB ergebenden Imparitätsprinzip auszuweisen, auch wenn sie tatsächlich noch nicht realisiert worden sind. Zu erwartende, aber erst in der Zukunft eintretende Verluste werden zum Zweck der Kapitalerhaltung antizipiert: Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens "können" nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG und § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden. Erst seit dem Inkrafttreten des BilMoG in 2009 handelt es sich hierbei um ein eigenständiges steuerliches Wahlrecht, das unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden kann. Im Handelsrecht besteht dagegen nach § 253 Abs. 3 S. 3 HGB nur dann eine Pflicht zur außerplanmäßigen Abschreibung für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wenn eine dauernde Wertminderung vorliegt (gemildertes Niederstwertprinzip). Ein Wahlrecht für eine außerplanmäßige Abschreibung bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung sieht § 253 Abs. 3 S. 4 HGB nur für Finanzanlagen vor. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens hingegen sind handelsrechtlich stets, also auch schon im Fall einer vorübergehenden Wertminderu...

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