Rz. 385

Von der Entnahme von Wirtschaftsgütern ist die Entnahme von Nutzungen und Leistungen zu unterscheiden. Denn die Entnahme von Wirtschaftsgütern ist ein gewinnrealisierender Vorgang in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Buchwert und dem Teilwert des entnommenen Wirtschaftsguts. Nutzungen und Nutzungsvorteile sind ebenso wenig wie Leistungen Wirtschaftsgüter, die entnommen werden können.[1] Daher können sie auch nicht Gegenstand einer Entnahme sein. Stattdessen wird der durch die betriebsfremde Nutzung verursachte Aufwand, also die damit verbundenen Selbstkosten entnommen. Der durch die Nutzung oder Leistung verursachte betriebliche Aufwand wird storniert, indem die tatsächlichen Selbstkosten dem Gewinn hinzugerechnet werden. Dies lässt sich allerdings nicht aus § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG entnehmen. Denn diese Vorschrift regelt nur die Entnahme von Wirtschaftsgütern. Die Rspr. ist jedoch zu diesem Ergebnis im Wege der Füllung der gesetzlichen Regelungslücke gelangt.[2]

 

Rz. 386

Als praktisches Beispiel für die vorstehende Unterscheidung zwischen der Entnahme von Wirtschaftsgütern und der Entnahme von Nutzungen und Leistungen mag der Fall dienen, dass ein Bauunternehmer auf seinem Privatgrundstück oder dem eines Angehörigen ein Wohnhaus unentgeltlich errichtet. Oder eine Personengesellschaft tut dies für ihren Gesellschafter.[3] Geht das Eigentum an dem Gebäude mit dessen Errichtung auf den Grundstückseigentümer nach den §§ 93 und 94 BGB über, handelt es sich um eine Leistungsentnahme, die mit den Selbstkosten zu bewerten ist. Erlangt der Grundstückseigentümer hingegen die Verfügungsmacht an dem Gebäude erst nach dessen Fertigstellung, so ist Gegenstand der Entnahme das Wirtschaftsgut Gebäude. Eine etwaige Differenz zwischen den Herstellungskosten und dem Teilwert ist als Gewinn des Bauunternehmers zu versteuern.

 

Rz. 387

Wird ein zum Betriebsvermögen gehörender Pkw auf einer Privatfahrt durch einen Unfall zerstört[4], tritt bezüglich der stillen Reserven, die sich in dem Pkw gebildet hatten, keine Gewinnrealisierung ein.[5] Denn der Pkw wird mit dem Unfall nicht in das Privatvermögen entnommen. Er ist vielmehr anlässlich der Privatfahrt vernichtet worden. Der Vermögensverlust kann allerdings nicht Gewinn mindernd berücksichtigt werden.[6] Es werden mit der Privatfahrt lediglich Nutzungen entnommen, die mit den Selbstkosten zu bewerten sind. Dies gilt auch für die USt. Der Entnahmewert ergibt sich somit aus dem Buchwertabgang als Aufwand und dem Restwertverkaufserlös sowie dem Versicherungserlös als Betriebseinnahme.[7]

 

Rz. 388

Als Beispiele für Entnahmen von Nutzungen und Leistungen lassen sich anführen:

  • die private Nutzung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Pkw, geregelt in § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 ff. EStG
  • die private Nutzung einer zum Betriebsvermögen gehörenden Wohnung[8]
  • die betriebsfremde Nutzung eines Geschäftswerts, der im Rahmen einer Betriebsverpachtung etwa an eine Betriebs-GmbH gegen ein unzureichendes Entgelt zur Nutzung überlassen wird[9]
  • die Teilnahme des Gesellschafters einer Personengesellschaft an einer von einem Geschäftspartner der Personengesellschaft veranstalteten Reise mit teilweise privatem Anlass.[10]
  • die private Nutzung eines betrieblichen (Elektro-)Fahrrads ist zwar auch eine Nutzungsentnahme, bleibt jedoch nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 6 EStG bis zum 31.12.2030 außer Ansatz (§ 52 Abs. 12 S. 3 EStG).
 

Rz. 389

Bemessungsgrundlage für die Bewertung der Entnahme von Nutzungen und Leistungen sind die tatsächlichen Selbstkosten. Hierunter ist der gesamte durch eine betriebsfremde Nutzung oder Leistung verursachte Aufwand zu verstehen, der als Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 EStG abgesetzt worden ist und nunmehr als Selbstkosten dem Gewinn wieder hinzugerechnet wird.[11] Zu den tatsächlichen Selbstkosten gehören bei der Nutzung von Wirtschaftsgütern insbesondere[12]:

  • alle anteiligen Gemeinkosten einschließlich der AfA in der tatsächlich in Anspruch genommenen Höhe,
  • die anteiligen Betriebskosten,
  • die anteiligen Finanzierungskosten.

Die tatsächlichen Selbstkosten sind um die tatsächlichen Erträge zu kürzen, die durch die betriebsfremde Nutzung des Wirtschaftsguts veranlasst sind, z. B. Erstattungen von Versicherungsbeiträgen, nicht aber um einen etwaigen Veräußerungsgewinn. Denn der Veräußerungserlös ist nicht durch die Nutzung des Wirtschaftsguts veranlasst.[13]

 

Rz. 390

Die vorstehenden Ausführungen mögen an dem Beispiel erläutert werden, dass ein Dachdeckermeister zusammen mit einem Gesellen das Dach seines Einfamilienhauses repariert. Die als Entnahme anzusetzenden Selbstkosten errechnen sich wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
Dachziegel 4.000 EUR
zuzüglich 10 % Materialgemeinkosten 400 EUR
zuzüglich Gesellenlohn 2.000 EUR
zuzüglich 10 % Fertigungsgemeinkosten 200 EUR
  6.600 EUR
zuzüglich 10 % Verwaltungsgemeinkosten 660 EUR
tatsächliche Selbstkosten 7.260 EUR

Die eigene Arbeitskraft des Unternehmers ist kein entnahmefähiger Gegenstand, sondern nur ein kalkulatorischer Posten.

 

Rz. 391

Bei der unent...

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