Rz. 74p

§ 50i Abs. 2 EStG soll Umgehungen des § 50i EStG nach vollzogenem Wegzug ins Ausland verhindern und ist umfassend angelegt. Diesbezügliche Umwandlungen und Einbringungen gem. § 1 UmwStG sowie Transaktionen gem. § 6 Abs. 3 u. 5 EStG (Mitunternehmeranteil einschließlich Sonderbetriebsvermögen) sowie Strukturwandel- und Betriebsaufspaltungsfälle sind bezogen auf die vermögensverwaltende Personengesellschaft nur noch zum gemeinen Wert möglich. Es müssen also sämtliche stille Reserven anlässlich der Umstrukturierung (= Sachgesamtheiten) aufgedeckt und ertragsversteuert werden.[1]

 

Rz. 74q

So sind z. B. auch Umwandlungen, Formwechsel oder Anwachsungen einer originär vermögensverwaltenden, nach § 15 Abs. 3 EStG fiktiv gewerblichen Personengesellschaft mit ausl. Mitunternehmern, die vor dem 29.6.2013 übertragene/überführte Kapitalgesellschafts-Anteile hält, in eine übernehmende Kapitalgesellschaft umfasst. Rechtsfolge ist eine anteilige/vollständige Realisation der stillen Reserven.[2]

 

Rz. 74r

Die Neuregelung gilt ab dem Vz 2014 (§ 52 Abs. 48 S. 4 u. 5 EStG), ist deshalb "nur" unecht rückwirkend, greift aber durch die umgehungsbedingte Verknüpfung mit Abs. 1 grundsätzlich auch in sog. Altfälle ein, die damit faktisch "umwandlungsgesperrt" sind.[3] Betroffen sind insbesondere Familienunternehmen, deren Mitglieder zumindest teilweise im Ausland, hier in Staaten mit DBA, wohnen, z. B. wegen der Ausbildung der schon geringfügig beteiligten (mindestens 1 ) Kinder oder aber auch, um ausl. Aktivitäten des Betriebs zu leiten. Das betrifft ggf. auch Schenkungen und Erbschaften, selbst bei einem inländischen Nachfolger.

 

Rz. 74s

Zumindest insoweit handelt sich um eine weit überschießende Verschärfung für die Stpfl. auf Grundlage eines zu weit gefassten § 50i Abs. 2 EStG.[4] Dessen Reichweite sollte teleologisch dahingehend reduziert werden, dass die sog. Altfälle vom Anwendungsbereich der Neuregelung ausgeschlossen bleiben. Der Regelungszweck des § 50i EStG liegt primär in der Verhinderung der Umgehung des § 6 AStG; mithin geht es in erster Linie um Fälle des Wegzugs durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts. Der im Gesetzgebungsverfahren von Hechtner[5] mit Verweis auf die ökonomische Intention der Norm vertretene Ansatz, dass jegliche Veränderung der bisherigen Struktur (Besitzverhältnisse der eingebrachten Anteile) zu einer Aufdeckung der stillen Reserven führen müsse, geht erkennbar zu weit und überdehnt auch den in § 6 Abs. 1 S. 2 AStG geregelten Katalog von vergleichbaren Ersatztatbeständen zu § 6 Abs. 1 S. 1 AStG.

 

Rz. 74t

Dem Grunde nach sollte § 50i Abs. 2 EStG seitens des Gesetzgebers grundlegend überarbeitet und die überschießende Regelungstendenz eingeschränkt werden. Zeitnah sollten zumindest einer Billigkeitsregelung im Verwaltungswege (mit Blick auf den Regelungsgedanken insbesondere des § 6 Abs. 1 S. 2 AStG) entsprechend die Fälle der zeitlich befristeten Aufenthalte von Unternehmensnachfolgern im Ausland z. B. für Zwecke der Ausbildung zugänglich sein. Dies gilt auch für Überführungen im Zuge der (vorweggenommenen) Erbfolge auf solche Personen.

 

Rz. 74u

Auch bei Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 S. 1–3 EStG drohen bei Übertragungen innerhalb Deutschlands in originäre gewerbliche (Einzel-) Betriebs-, Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen keine steuerfreie Entstrickungen; Entsprechendes gilt bei Vorgängen nach § 24 UmwStG, sofern ausschließlich inländische Personengesellschaften betroffen sind. Die Versagung der Buchwertfortführung bei solchen reinen Inlandsfällen steht in Konflikt mit dem Zweck des § 6 Abs. 5 EStG[6] bzw. des UmwStG. Eine Billigkeitsregelung sollte jene Umwandlungen, Einbringungen, andere Übertragungen, den Strukturwandel und Überführungen hinsichtlich der von § 50i Abs. 1 EStG betroffenen Wirtschaftsgüter und Anteile umfassen, bei denen das deutsche Besteuerungsrecht unverändert sichergestellt ist. In diesen Fällen wäre es sinngerecht und zweckmäßig, die Buchwertfortführung zuzulassen.[7] Dies umfasst neben den reinen Inlandsfällen auch jene Fälle, in denen eine Inlandsbetriebsstätte nach Wegzug verbleibt und das deutsche Besteuerungsrecht daher nicht gefährdet ist.

 

Rz. 74v

Die in § 50i Abs. 2 EStG angeordnete Rechtsfolge einer zwingenden Aufdeckung stiller Reserven erfasst nach dem Wortlaut der Vorschrift sogar Fälle, in denen das deutsche Besteuerungsrecht wieder hergestellt wird (Wiederverstrickungsfälle). Auch hier ist eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 50i Abs. 2 EStG aus o. g. Gründen zwingend geboten.

 
Praxis-Beispiel

Überschießender Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG bei Erbschaft und Schenkung bzw. Zuzug

Ein im Inland ansässiger Stpfl. bringt noch vor dem 29.6.2013 eine wesentliche Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 EStG in eine inländische, nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte GmbH & Co. KG ein. Anschließend verzieht er in ein DBA-Ausland. Zu einem späteren Zeitpunkt nach Wegzug ...

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