Rz. 5

Zur Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven bei einem Wegzug ins Ausland (§ 6 AStG), bei einer Umstrukturierung (§ 20 UmwStG) oder beim Ausschluss oder einer Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts nach § 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG sind Anteile an Kapitalgesellschaften und andere Wirtschaftsgüter in der Vergangenheit häufig im Rahmen des sog. "Verstrickungsmodells"[1] steuerneutral[2] auf eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (typischerweise auf eine GmbH & Co. KG) übertragen worden.[3]

 

Rz. 5a

Dabei handelte es sich um legale Konstruktionen, die eine Aufdeckung der stillen Reserven und damit die Besteuerung beim Wegzug verhindert haben. Die wesentlichen Anteile aus dem Privatvermögen wurden in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft steuerneutral eingebracht. Üblicherweise handelte es sich hierbei um eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG, die dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG vermittelt. Nach dem steuerneutralen Transfer der Anteile aus dem Privat- in das Betriebsvermögen über § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG waren diese Anteile dann nicht mehr als solche i. S. d. § 17 EStG zu qualifizieren, sodass die Besteuerung nach § 6 AStG nicht ausgelöst wurde. Auch erfolgte keine Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 S. 3, 4 EStG, da Deutschland weiterhin das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zustand. Mithin wurden also die stillen Reserven nicht aufgedeckt. Im Ergebnis kam es so zu einer Stundung der Steuer auf die stillen Reserven, gleichwohl behielt Deutschland weiterhin das Besteuerungsrecht eben an diesen stillen Reserven, sodass eine Besteuerung in der Zukunft sichergestellt war.

[1] Bilitewski/Schifferdecker, Ubg 2013, 559.
[2] Mitschke, FR 2013, 694, 697; instruktiv: Schönfeld, IStR 2011, 142, 144.
[3] So die Begründung im Gesetzentwurf des Bundesrats, Entwurf eines JStG 2013 v. 10.4.2013, BT-Drs. 17/13033, 18, 73; Darstellung von "klassischen" Wegzugsfällen bei Prinz, DB 2013, 1378; Bilitewski/Schifferdecker, Ubg 2013, 559; s. a. Gosch, IWB 2012, 779, 788.

1.2.1 Bisheriges Rechtsverständnis der Finanzverwaltung

 

Rz. 6

Nach dem früheren Rechtsverständnis der Finanzverwaltung[1], der sich in den konkreten Einzelfällen die Beteiligten ausdrücklich oder konkludent angeschlossen haben, war auf die Einkünfte gewerblich geprägter Personengesellschaften der DBA-Artikel über die Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) anzuwenden.[2]

 

Rz. 7

Verfügte die Gesellschaft über eine inländische Betriebsstätte, blieben die Wirtschaftsgüter einschließlich der Anteile weiterhin im Inland steuerverstrickt, sodass im Fall der späteren Veräußerung der Wirtschaftsgüter oder Anteile (einschließlich der Veräußerung des Mitunternehmeranteils) durch den im Ausland ansässigen Stpfl. der Veräußerungsgewinn uneingeschränkt besteuert werden konnte, weil das jeweils anzuwendende DBA regelmäßig Art. 13 Abs. 2 OECD-MA entspricht.

Nach diesem Rechtsverständnis konnten bis zu einer Veräußerung oder Entnahme der Wirtschaftsgüter auch die laufenden Einkünfte aus diesen Wirtschaftsgütern, z. B. die auf die Anteile gezahlten Dividenden, uneingeschränkt besteuert werden.[3] Eine Besteuerung im Zeitpunkt des Wegzugs bzw. der Umstrukturierung unterblieb daher im Regelfall.[4]

 

Rz. 8

Auf der Grundlage dieses früheren Rechtsverständnisses haben die Finanzbehörden wegziehenden (oder bei Umstrukturierungen im Ausland ansässigen) Stpfl. auf Antrag verbindliche Auskünfte dahingehend erteilt, dass zwar die in den Wirtschaftsgütern oder Anteilen enthaltenen stillen Reserven zunächst nicht besteuert werden, dafür jedoch im Fall der späteren Veräußerung oder Entnahme der tatsächliche Veräußerungsgewinn in Deutschland zu versteuern ist.[5] Grundlage war regelmäßig auch die Zusage ausl. Finanzbehörden, die das deutsche Besteuerungsrecht in Bezug auf den späteren Veräußerungsgewinn ausdrücklich bestätigt und auch das deutsche Besteuerungsrecht für die laufenden Einkünfte aus diesen Wirtschaftsgütern oder Anteilen nicht infrage gestellt haben.[6]

[2] Dazu grundlegend: Richter, FR 2010, 544.
[3] Gesetzentwurf des Bundesrats, Entwurf eines JStG 2013 v. 10.4.2013, BT-Drs. 17/13033, 18, 73; Mitschke, FR 2013, 694, 697.
[4] Pohl, IStR 2013, 699.
[5] BT-Drs. 18/1995, 23, 117ff. zu § 52 Abs. 48 S. 1 bis 3 EStG; zur materiell-rechtlichen Grundlage solcher verbindlicher Auskünfte vgl. Bilitewski/Schifferdecker, Ubg 2013, 559, 560.
[6] Gesetzentwurf des Bundesrats, Entwurf eines JStG 2013 v. 10.4.2013, BT-Drs. 17/13033, 18, 73.

1.2.2 Entgegenstehende Rechtsauffassung des BFH

 

Rz. 9

Der BFH hat erstmals durch Urteil v. 28.4.2010[1] abweichend von dem bisherigen Rechtsverständnis der Finanzverwaltung entschieden, dass auf die Einkünfte gewerblich geprägter Personengesellschaften i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht die jeweiligen DBA-Vorschriften über die Unternehmensgewinne (Art. 7, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA), sondern die anderen Verteilungsartikel des DBA für die jeweiligen Einkü...

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