Rz. 15

Eine ordnungsmäßige Buchführung und Bilanzierung setzen eine ordnungsmäßige Inventur voraus.[1] Nach § 240 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes und danach für den Schluss jedes Geschäftsjahrs seine Grundstücke, Forderungen und Schulden, den Betrag des Bargelds sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und zu bewerten (Inventar). Dieses Inventar ist grundsätzlich auf der Grundlage einer (körperlichen) Bestandsaufnahme zu ermitteln (Inventur). Fotografien der Bestände ersetzen die körperliche Bestandsaufnahme nicht.[2]

Die Inventur zielt auf eine vollständige Erfassung, genaue Bezeichnung (Identifizierung), genaue Mengenangabe nach Zahl, Maß und Gewicht sowie Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden. Dabei sind alle Vermögensgegenstände einzeln aufzunehmen, wenn nicht Erleichterungen zugelassen sind. Zur Planung der Inventur vgl. Quick, DB 1991, 713; Quick, DB 1991, 723.

Das Inventar wird aufgestellt

  • beim Anlagevermögen aufgrund der Anlagekartei (Anlageverzeichnis), das den Bestand an Anlagevermögen unter Berücksichtigung von Zu- und Abgängen sowie der Abschreibungen ermittelt. Ergänzend tritt, insbesondere bei einer Vielzahl von kleineren Anlagegegenständen, die körperliche Bestandsaufnahme hinzu. Eine jährliche körperliche Bestandsaufnahme ist nicht erforderlich, wenn sich aus dem Betriebsverlauf zwangsläufig eine ständige Kontrolle der wesentlichen Teile des Anlagevermögens ergibt (HFA 1/90, Wpg 1990, 143). Als Vereinfachungsverfahren sieht § 240 Abs. 3 HGB für Sachanlagevermögen das Festwertverfahren vor; vgl. § 6 Rz. 48;
  • beim Vorratsvermögen (Umlaufvermögen) durch Inventarlisten, die aufgrund körperlicher Bestandsaufnahme aufgestellt werden. Als Vereinfachungsverfahren sieht § 240 Abs. 3 HGB das Festwertverfahren für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (vgl. § 6 Rz. 48) sowie § 240 Abs. 4 HGB die Gruppenbewertung (vgl. § 6 Rz. 56) vor. Bei der Werkstattinventur besteht die Besonderheit, dass es sich bei den Werkstattvorräten um einen stets fließenden Bestand von Aufträgen handelt, der die Fertigung durchläuft. Der Werkstattbestand kann daher nur über die gerade in Arbeit befindlichen Aufträge identifiziert werden. Soweit die Werkstattproduktion durch Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme gesteuert wird, können die dabei gewonnenen Daten für die Inventurauswertung benutzt werden. Soweit dabei die aus dem Werkstattbestand entnommenen Teile mengenmäßig erfasst werden, ist eine körperliche Aufnahme nicht erforderlich[3];
  • bei Forderungen und Schulden (einschließlich Bankkonten) durch Saldenlisten und Saldenbestätigungen. Saldenbestätigungen sind nicht für alle Forderungen und Schulden, sondern nur für die gewichtigeren einzuholen;
  • bei Bargeld durch Zählen des Geldes (Kassensturz).

Die Inventur hat grundsätzlich am Bilanzstichtag auf diesen Stichtag zu erfolgen.

 

Rz. 16

Das Inventar muss folgenden Grundsätzen genügen (vgl. Beck’scher Bilanzkommentar, § 240 Rz. 14ff.; BFH v. 13.10.1972, I R 123/70, BStBl II 1973, 114):

  • Grundsatz der Vollständigkeit: Es müssen alle Vermögensgegenstände und Schulden in der richtigen Zahl erfasst sein.
  • Grundsatz der Richtigkeit: Das Inventar muss die einzelnen Vermögensgegenstände mit der richtigen Bezeichnung (Identifizierung), richtigen Mengenangaben nach Zahl, Maß und Gewicht und mit dem richtigen Wert angeben.
  • Grundsatz der Nachprüfbarkeit: Das Inventar muss so erstellt sein, dass sein Zustandekommen und seine Richtigkeit von einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit überprüft werden können. Hierzu gehört, dass die Inventurlisten, die in das Inventar eingehen, sorgfältig geführt, aufbewahrt und von den aufnehmenden Personen unterschrieben werden.
  • Grundsatz der Klarheit: Das Inventar muss übersichtlich, verständlich und glaubwürdig sein. Dazu gehört, dass die Eintragungen nicht unleserlich sind, Symbole erläutert werden und nachträgliche Änderungen gekennzeichnet sind.
  • Grundsatz der Einzelerfassung und Einzelbewertung: Jeder Vermögensgegenstand ist einzeln zu erfassen und zu bewerten. Ausnahmen sind Gruppenbewertung und Festwert (vgl. § 6 Rz. 48, 56).
 

Rz. 17

Das Ergebnis der Inventur ist mit der Lagerbuchhaltung abzustimmen; Inventurdifferenzen sind aufzuklären. Inventurdifferenzen können stammen aus[4]:

  • Fehlern in der Lagerbuchführung (Fehler bei Wareneingang und -ausgang, Fehler bei Berücksichtigung von Transportvorgängen);
  • Warenverlusten (Schwund, Verderben, Diebstahl, Unterschlagung);
  • Fehlern bei der Inventur (Zahl-, Mess-, Wiegefehler);
  • Bewertungsfehlern.
[3] Vgl. HFA 1/1990, Wpg 1990, 143, 148; vgl. auch Bruse/Riedlinger, DB 1987, 2001; Weiss/Schmidt, DB 1987, 2006.
[4] Vgl. Quick, DB 1991, 713.

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