Rz. 2

Die Einführung von § 4j EStG steht im engen Zusammenhang mit der BEPS-Kampagne der OECD/G20-Staaten zur Bekämpfung von Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS). Ziel der BEPS-Initiative ist es, gegen aggressive Steuerplanungsstrategien zur Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung international tätiger Konzerne vorzugehen.

Eines der Kernanliegen der BEPS-Kampagne ist, dass Gewinne dort besteuert werden sollen, wo die wirtschaftlichen Aktivitäten, mit denen diese Gewinne erzielt werden, stattfinden.[1] Die Besteuerung soll sich an der wirtschaftlichen Substanz ausrichten, indem sichergestellt wird, dass Gewinne nicht mehr künstlich aus den Staaten, in denen die Wertschöpfung erfolgt, hinausverlagert werden können.[2] Zu diesem Zweck ist ein Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung entwickelt worden.[3] Punkt 5 dieses Aktionsplans ("Wirksamere Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken unter Berücksichtigung von Transparenz und Substanz") fordert u. a., dass die Anwendung von präferenziellen (also steuerbegünstigenden) Regelungen vom Vorliegen einer wesentlichen Geschäftstätigkeit (Substanzerfordernis) abhängig gemacht werden soll.

Steuerpolitisches Anliegen der BEPS-Initiative ist es, den verzerrenden Einfluss der Besteuerung insbesondere auf die Ansiedlung mobiler Finanz- und sonstiger Dienstleistungen zu verringern. Hierdurch soll ein freier und fairer Steuerwettbewerb ermöglicht und ein „Anpassungswettlauf nach unten“ verhindert werden.[4] In das Augenmerk der OECD-Arbeiten sind vor allem schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit solchen Regelungen gerückt, die eine steuerliche Vorzugsbehandlung von geistigem Eigentum (Intellectual Property, IP) einräumen, ohne dabei entsprechende Substanzerfordernisse vorauszusetzen (sog. Lizenzboxen, IP-Boxen oder Patentboxen).[5]

 

Rz. 3

IP-intensive Wirtschaftszweige gelten als entscheidender Antriebsfaktor für Wachstum und Beschäftigung, weswegen den einzelnen Staaten das Recht zugestanden wird, steuerliche Anreize für Tätigkeiten im Bereich von Forschung und Entwicklung (FuE) zu schaffen.[6] Um ihre Attraktivität als Wirtschaftsstandort zu fördern, haben in der Vergangenheit viele Staaten Regelungen über die Vorzugsbesteuerung von geistigem Eigentum geschaffen, die eine steuerliche Förderung von Einkommensbestandteilen im Zusammenhang mit der Entwicklung und Überlassung von Rechten ermöglichen. Grundsätzlich kann unterschieden werden in:

  • Ausgabenorientierte Lizenzboxen (front end tax regimes), die die Steuervergünstigungen vom Umfang der getätigten FuE-Tätigkeiten und der bei Schaffung von geistigem Eigentum angefallenen Ausgaben des Stpfl. abhängig machen;
  • einnahmenorientierte Lizenzboxen (back end tax regimes), bei denen sich die Steuervergünstigungen allein auf die nach der Schaffung und Nutzung des geistigen Eigentums erzielten Einnahmen beziehen.[7]

Insbesondere einnahmenorientierte Lizenzboxen werden von der OECD als schädlich eingestuft, da diese oftmals nicht der eigentlich bezweckten Förderung von FuE-Tätigkeiten gerecht werden, indem ausschließlich Einnahmen aus den (nicht notwendigerweise selbst erbrachten) Forschungsergebnissen (etwa durch einen Niedrigsteuersatz) steuerlich begünstigt werden.

 

Rz. 4

Da sich das rechtliche Eigentum an immateriellen Wirtschaftsgütern wie Patenten, Lizenzen, Konzessionen oder Markenrechten dabei besonders einfach auf andere Rechtsträger bzw. über Staatsgrenzen hinweg übertragen lässt, sind nach Meinung des Gesetzgebers in der Vergangenheit immer mehr Staaten durch Präferenzregelungen (Lizenzboxen), die keine entsprechenden Forschungstätigkeiten voraussetzen, in einen schädlichen Steuerwettbewerb mit anderen Staaten getreten. Multinationale Konzerne können diese Präferenzregime zur Gewinnverlagerung nutzen. Als Folge hat die OECD den sog. (modifizierten) Nexus-Ansatz entwickelt, der die steuerliche Förderung von Lizenzeinkünften von der wesentlichen Geschäftsstätigkeit als Substanzerfordernis abhängig macht.[8]

 

Rz. 5

In Kapitel 4 des Abschlussberichts zu Aktionspunkt 5 haben sich die beteiligten Staaten mit dem sog. (modifizierten) Nexus-Ansatz auf die Rahmenbedingungen einer wesentlichen Geschäftstätigkeit verständigt. Der in Bezug auf IP-Regelungen entwickelte Nexus-Ansatz gestattet dem Stpfl. die Nutzung einer steuerbegünstigten IP-Regelung nur insoweit, wie er selbst qualifizierte FuE-Tätigkeiten und die damit einhergehenden Ausgaben erbracht hat, die zu den betreffenden IP-Einkünften geführt haben. Der Nexus-Ansatz beruht auf dem Prinzip, dass IP-Regelungen dazu gedacht sind, Anreize für FuE-Tätigkeiten zu schaffen sowie Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Deshalb sollte über ein Substanzerfordernis gewährleistet werden, dass Stpfl., die solche Regelungen in Anspruch nehmen, tatsächlich entsprechende Aktivitäten durchgeführt und dafür tatsächlich Ausgaben getätigt haben.[9] Die OECD- sowie G20-Staaten haben sich darauf geeinigt, alle schädlichen Lize...

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