Rz. 40

Von der Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung ist die Frage der Unverfallbarkeit zu unterscheiden. Während die Bezugsberechtigung vornehmlich die versicherungsrechtliche Ausgestaltung und steuerrechtliche Anerkennung der Direktversicherung betrifft, handelt es sich bei der Unverfallbarkeit um ein arbeitsrechtliches Institut des BetrAVG (Vor § 4b EStG Rz. 38ff.). Ist die Anwartschaft unverfallbar, so bleibt sie erhalten, auch wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls endet (§ 1b Abs. 1 BetrAVG). Beide Rechtsfiguren überlagern sich jedoch gegenseitig insofern, als nach Eintritt der gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine (widerrufliche) Bezugsberechtigung nicht mehr zu widerrufen (§ 1b Abs. 2 S. 1 BetrAVG) mit der Folge, dass ihn Einstandspflichten gem. § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG treffen, wenn er eine Bezugsberechtigung gleichwohl widerruft.[1]

 

Rz. 41

Während die Direktversicherung nach § 1 Abs. 2 BetrAVG begrifflich voraussetzt, dass der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind, ist Unverfallbarkeit kein substanzielles Merkmal der Direktversicherung und deshalb keine Voraussetzung für § 4b EStG.

 

Rz. 42

Der Eintritt der Unverfallbarkeit ist an ein Mindestalter des Arbeitnehmers sowie an eine Mindestzusagedauer geknüpft. Die Voraussetzungen haben sich mehrfach geändert (Vor § 4b EStG Rz. 38). Für Zusagen ab 2009 war eine Versorgungszusage unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer das 25. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage mindestens 5 Jahre bestanden hat oder aufgrund einer Vorruhestandsregelung ausscheidet und ohne das Ausscheiden die Wartezeit erfüllt hätte. Durch die Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie wurde für Zusagen ab 2018 das Mindestalter auf die Vollendung des 21. Lebensjahrs herabgesetzt und die erforderliche Mindestzusagedauer auf 3 Jahre verkürzt.[2] Soweit die Direktversicherung aufgrund einer Entgeltumwandlung durchgeführt wird, tritt – gleichzeitig mit dem Anspruch auf Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts – sofortige Unverfallbarkeit ein (§ 1b Abs. 5 S. 1 BetrAVG).

 

Rz. 43

Die Verpflichtung, eine widerrufliche Bezugsberechtigung nach Eintritt der Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft nicht mehr zu widerrufen, besteht nur gegenüber dem Arbeitnehmer. Dem Versicherer gegenüber regelt sich die Frage, ob die Bezugsberechtigung widerrufen werden kann, ausschließlich nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags, also regelmäßig danach, ob sie widerruflich oder unwiderruflich erteilt worden ist. Eine widerrufliche Bezugsberechtigung kann mithin vom Arbeitgeber gegenüber dem Versicherer auch nach Eintritt der Unverfallbarkeit i. S. d. BetrAVG wirksam widerrufen werden. Tut dies der Arbeitgeber, so macht er sich im Verhältnis zum Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig. Die Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft unterscheidet sich von der Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung demnach dadurch, dass ein Widerruf bei Unwiderruflichkeit wirkungslos, bei Unverfallbarkeit indes wirksam, aber vertragswidrig ist. In der Praxis ist der Unterschied – von zwischenzeitlichen Insolvenzen abgesehen – jedoch gering, weil der Bezugsberechtigte nach Eintritt der Unverfallbarkeit von einem widerrufenden Arbeitgeber die Beseitigung des Schadens, also in erster Linie die Wiedereinräumung der Bezugsberechtigung, verlangen kann.

[1] Höfer, BetrAVG, Bd. 1, Rz. 3006.
[2] Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie v. 21.12.2015, BGBl I 2015, 2553.

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