Rz. 14

Eine rechtmäßig erteilte Freistellungsbescheinigung (sonstiger Verwaltungsakt) kann unter engen Voraussetzungen mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 130 AO) oder mit Wirkung für die Zukunft widerrufen (§ 131 AO) werden. Der Leistende hat den Leistungsempfänger hierüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Wird eine zeitlich befristete, jedoch nicht auf eine bestimmte Bauleistung beschränkte Freistellungsbescheinigung widerrufen oder zurückgenommen, kommt eine Haftungsinanspruchnahme des Leistungsempfängers nur dann in Betracht, wenn ihm der Widerruf oder die Rücknahme bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren. Nur in den Fällen, in denen die Freistellungsbescheinigung für eine bestimmte Bauleistung erteilt wurde, unterrichtet das FA auch den Leistungsempfänger vom Widerruf bzw. der Rücknahme der Freistellungsbescheinigung (§ 48b Abs. 4 EStG). Führt dieser dann den Steuerabzug trotz Kenntnis der Ungültigkeit der Freistellungsbescheinigung nicht durch, wird dieser in Haftung genommen werden können. Wird die Freistellungsbescheinigung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, ist die Abstandnahme vom Steuerabzug bereits in der Vergangenheit unzulässig gewesen. Wird die Freistellungsbescheinigung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, ist sie für Gegenleistungen, die nach diesem Zeitpunkt erbracht werden, nicht mehr gültig. Dies hat zur Folge, dass der Leistungsempfänger von künftigen Gegenleistungen den Steuerabzug vorzunehmen hat und auch den Steuerabzug für bereits erbrachte Gegenleistungen nachholen muss. Die Nachholung erfolgt grundsätzlich durch Einbehalt von künftigen Gegenleistungen. Ist dies nicht möglich oder reicht die künftige Gegenleistung hierfür nicht aus, so entfällt der Einbehalt.[1]

 

Rz. 14a

Im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens dürfte die Finanzverwaltung eine einmal erteilte Freistellungsbescheinigung kurzfristig vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht widerrufen.[2] Die Finanzverwaltung würde sonst durch den Steuerabzug im Vergleich zu anderen Gläubigern besser gestellt, da die Steueransprüche über den Steuerabzug gesichert würden. In diesen Fällen unterscheidet die Finanzverwaltung, ob bereits vor Stellung eines Insolvenzantrags eine Gefährdung des Steueranspruchs vorlag oder nicht.[3]

[2] Schröder/Spönemann/Häßler, NZI, 2003, 130: Zur Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG im Falle der Insolvenz des Bauauftragnehmers; BFH v. 13.11.2002, I B 147/02, BFH/NV 2003, 262.
[3] BMF v. 4.9.2003, IV A 5 – S 2272 b – 20/03, BStBl I 2003, 431: Erteilung von Freistellungsbescheinigungen nach § 48b EStG und Anrechnung des Steuerabzugsbetrags in Insolvenzfällen.

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