Rz. 102

Von der Erhebung des Steuerabzugs darf in den von § 44a EStG erfassten Fällen bei Kapitalerträgen i. S. v. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, 7 und 8 bis 12 sowie S. 2 EStG nur dann Abstand genommen werden, wenn die Teilschuldverschreibungen, die Anteile an der Sammelschuldbuchforderung oder die Wertrechte, aus denen die Einnahmen fließen, bzw. die Zinsscheine oder die sonstigen Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt des Zufließens der Einnahmen von der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle in einem unter dem Namen des Gläubigers der Kapitalerträge geführten Depot verwahrt oder verwaltet bzw. die Einlagen und Guthaben auf einem auf den Namen des Gläubigers der Kapitalerträge lautenden Konto geführt werden. Die Abstandnahme vom Steuerabzug setzt somit die Identität von Gläubiger und Depot- bzw. Kontoinhaber voraus.[1]

 

Rz. 103

Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, muss die auszahlende Stelle den Steuerabzug einbehalten und die von ihr auf den Namen des Depot- bzw. Kontoinhabers auszustellende KapESt-Bescheinigung mit einem entsprechenden Hinweis kennzeichnen, um welche Art von Depot oder Konto es sich handelt, z. B. "Nießbrauchsdepot", "Anderdepot" oder "Treuhanddepot"[2] (zur Kennzeichnung der KapESt-Bescheinigung in diesen Fällen und zu deren Weiterleitung an den Berechtigten bzw. die Aufteilung des anzurechnenden Zinsabschlags auf mehrere Berechtigte § 45a EStG Rz. 130f.).

 

Rz. 104

Die KapESt-Bescheinigung, die nach § 45a Abs. 2 S. 1 EStG nur auf Verlangen des Gläubigers ausgestellt zu werden braucht, ist vor allem dann als Nichtdepotfall bzw. Tafelgeschäft zu kennzeichnen, wenn es sich bei der Auszahlung der Kapitalerträge um ein Tafelgeschäft handelt (§ 44 EStG Rz. 40ff.), wenn also die Zinsscheine oder – bei Wertpapieren ohne Zinsscheine – die Wertpapiere am Bankschalter zur Einlösung vorgelegt werden. Wie bei fehlender Identität zwischen dem Gläubiger der Kapitalerträge und dem Depot- bzw. Kontoinhaber kann auch der bei einem Tafelgeschäft einbehaltene Steuerabzug nur im Rahmen der Veranlagung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Steuerschuld angerechnet werden. Dazu ist allerdings die Vorlage einer KapESt-Bescheinigung erforderlich (§ 36 EStG Rz. 73ff.; § 44 EStG Rz. 45). Eine Anrechnung des Steuerabzugs auf die Steuerschuld ist vor allem dann erforderlich, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen zu anderen Einkunftsarten gehören, für welche der Steuerabzug keine die ESt abgeltende Wirkung hat (§ 44 EStG Rz. 46f.).

 

Rz. 105

Das Erfordernis der Identität zwischen dem Gläubiger der Kapitalerträge und dem Depot- bzw. Kontoinhaber ist auch dann von Bedeutung, wenn ein inländisches Finanzdienstleistungsinstitut mit der Finanzportfolioverwaltung i. S. d. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 3 KWG beauftragt wurde. Finanzdienstleistungsinstitute (zum Begriff § 43 EStG Rz. 81) dürfen das, inländischen Kreditinstituten vorbehaltene Depotgeschäft i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 KWG nicht betreiben und müssen deshalb die ihnen zur Finanzportfolioverwaltung übergebenen Wertpapiere an ein zum Betreiben des Depotgeschäfts befugtes Kreditinstitut zur Depotverwahrung weiterleiten.[3]

 

Rz. 106

Die Entgegennahme und Weiterleitung der Wertpapiere gem. § 34a Abs. 2 WpHG begründen für das Finanzdienstleistungsinstitut keine Zwischenverwahrertätigkeit.[4] Das mit der Finanzportfolioverwaltung beauftragte Finanzdienstleistungsinstitut gilt somit nicht als Verwahrer i. S. d. § 3 Abs. 2 DepotG. Verwahrer i. d. S. ist das depotführende Kreditinstitut.

 

Rz. 107

Wird das Wertpapierdepot bei dem inländischen Kreditinstitut unter dem Namen des Finanzdienstleistungsinstituts als Treuhanddepot geführt, ist wegen fehlender Identität des Gläubigers der Kapitalerträge und Depotinhaber eine Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a EStG nicht möglich. Die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge kann der Anleger nur im Rahmen der Veranlagung geltend machen. Das depotführende inländische Kreditinstitut erteilt die Steuerbescheinigung auf den Namen des das Portfolio verwaltenden Finanzdienstleistungsinstituts als Depotinhaber und kennzeichnet die Steuerbescheinigung durch den Hinweis "Treuhanddepot".[5]

 

Rz. 108

Die Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a EStG durch das depotführende inländische Kreditinstitut ist nur dann möglich, wenn das der Finanzportfolioverwaltung durch ein inländisches Finanzdienstleistungsinstitut unterliegende Wertpapierdepot bei dem inländischen Kreditinstitut nicht als Treuhanddepot, sondern als offenes Depot unter dem Namen des Anlegers geführt wird (so z. B., wenn der Anleger das Finanzdienstleistungsinstitut mit der Portfolio-Verwaltung für ein bereits für ihn bestehendes Wertpapierdepot beauftragt hat). In diesem Fall erteilt der Anleger als Gläubiger der Kapitalerträge nicht dem Finanzdienstleistungsinstitut, sondern dem depotführenden inländischen Kreditinstitut seinen Freistellungsauftrag.

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