4.6.1 Allgemein

 

Rz. 56

Zu den steuerabzugspflichtigen Kapitalerträgen gehören nach § 43 Abs. 1 S. 2 EStG auch die besonderen Entgelte oder Vorteile i. S. d. § 20 Abs. 3 EStG, die neben den in § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–12 EStG ausdrücklich genannten Kapitalerträgen oder an deren Stelle gewährt werden (§ 43 EStG Rz. 116ff.).

Bestehen diese Kapitalerträge ganz oder teilweise nicht in Geld, sondern in Sachleistungen, muss die von diesen Sachleistungen zu erhebende KapESt dennoch in Geld entrichtet werden.

Reicht ein im Zusammenhang mit den Sachleistungen in Geld geleisteter Kapitalertrag zur Deckung der insgesamt zu erhebenden KapESt nicht aus, oder besteht der Kapitalertrag nur in Sachleistungen, muss der Gläubiger dieser Kapitalerträge dem Steuerabzugsverpflichteten den zur Entrichtung der KapESt erforderlichen Betrag zur Verfügung stellen, damit dieser seiner Abzugsverpflichtung nachkommen kann (§ 44 Abs. 1 S. 7 EStG). Erst nach dessen Eingang erfolgt die Anmeldung und Weiterleitung dieses Betrags durch den Steuerabzugsverpflichteten.

Der zum Steuerabzug Verpflichtete kann den Gläubiger der Kapitalerträge auch auffordern, den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen.[1]

 

Rz. 57

Zur analogen Anwendung von § 44 Abs. 1 S. 8 und 9 EStG, wenn bei einem als entgeltlich zu behandelnden Depotübertrag die Ersatzbemessungsgrundlage gem. § 43a Abs. 2 S. 10 EStG mangels der auszahlenden Stelle bekannter Anschaffungsdaten nicht ermittelt werden kann, vgl. § 43a EStG Rz. 84.

[1] BMF v. 13.5.2017, IV C 1 – S 2252/08/10004:020, Rz. 251b, BStBl I 2017, 739.

4.6.2 Einziehung von Fehlbeträgen von Konten (§ 44 Abs. 1 S. 8 und 9 EStG)

 

Rz. 57a

Nach § 44 Abs. 1 S. 8 EStG kann der Steuerabzug Verpflichtete aufgrund der Änderung durch das Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG) v. 23.6.2016[1] den Fehlbetrag (d. h., der in Geld geleistete Ertrag zur Deckung der KapESt) nicht aus von einem bei ihm unterhaltenen und auf den Namen des Gläubigers der Kapitalerträge lautenden Konto, ohne Einwilligung des Gläubigers, einziehen. Die Befugnisnorm des § 44 Abs. 1 S. 8 EStG bezieht sich auf alle beim zum Steuerabzug Verpflichteten geführten

  • Giro-,
  • Kontokorrent- oder
  • Tagesgeldkonten des Gläubigers,
  • das zum Depot hinterlegte Verrechnungskonto, aber nur dann wenn Gläubiger der Kapitalerträge und Kontoinhaber nicht identisch sind.[2]

Sind depotführende Kreditinstitute, depotführende Stellen sowie Tochter- oder Schwestergesellschaften von Kapitalverwaltungsgesellschaften berechtigt, auf ein sogenanntes Referenzkonto des Kunden zuzugreifen, wird es von der FinVerw zudem nicht beanstandet, dort den Fehlbetrag einzuziehen.[3]

 

Rz. 57b

Widerspricht der Gläubiger nicht, darf auch ein Kontokorrentkredit in Anspruch genommen werden (§ 44 Abs. 1 S. 9 EStG). Ein Zugriff auf den Kontokorrentkredit ist aber ausgeschlossen, wenn der Gläubiger vor dem Zufluss der Kapitalerträge widerspricht. Bei mehreren Kontoberechtigten reicht es aus, wenn ein Kontoberechtigter widerspricht. Der Widerspruch gilt solange, bis er vom Gläubiger zurückgenommen wird.[4]

[1] BGBl I 2016, 1682.
[2] BMF v. 13.5.2017, IV C 1 – S 2252/08/10004:020, Rz. 251a, BStBl I 2017, 739.
[3] BMF v. 13.5.2017, IV C 1 – S 2252/08/10004:020, Rz. 251ac, BStBl I 2017, 739.
[4] BMF v. 13.5.2017, IV C 1 – S 2252/08/10004:020, Rz. 251a, BStBl I 2017, 739.

4.6.3 Meldung an das Betriebsstättenfinanzamt (§ 44 Abs. 1 S. 10 EStG)

 

Rz. 57c

Kann nicht auf ein Giro-, Kontokorrent- oder Tagesgeldkonto des Gläubigers zugegriffen werden oder deckt das zur Verfügung stehende Guthaben einschließlich eines zur Verfügung stehenden Kontokorrentkredits den Fehlbetrag nicht oder nicht vollständig, hat der zum Steuerabzug Verpflichtete den vollen Kapitalertrag[1] dem Betriebsstätten-FA nach § 44 Abs. 1 S. 10 EStG anzuzeigen. Durch diese Anzeige des zum Steuerabzug Verpflichteten wird es der Finanzverwaltung ermöglicht, die KapESt vom Gläubiger der Kapitalerträge nachzufordern.

Adressat der Anzeige ist das zuständige Betriebsstätten-FA des für den Steuerabzug Verpflichteten.

Frist: Die Anzeige ist nach Ansicht der Finanzverwaltung spätestens nach Ablauf des Kj. unter Beachtung der in § 93c Abs. 1 Nr. 1 1. Halbs. AO genannten Frist zu übermitteln.[2] Die Anordnung der Frist des § 93c Abs. 1 Nr. 1 1. Halbs. AO durch die Finanzverwaltung dürfte wohl unzulässig sein, da diese Frist nach § 93c Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 AO nur dann gilt wenn "steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen aufgrund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten (mitteilungspflichtige Stelle) an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln sind". § 44 Abs. 1 S. 10 EStG ist aber kein elektronisches Meldeverfahren. Daher müsste die Frist des § 44 Abs. 1 S. 10 EStG im Gesetz selbst bestimmt werden.

In die Meldung an das Betriebsstätten-FA nach § 44 Abs. 1 S. 10 EStG sind nach Anweisung der Finanzverwaltung folgende Angaben aufzunehmen:

  • die Identifikationsnummer,
  • den Namen und die Anschrift des Gläubiger der Kapitalerträge,
  • das Datum des fehlgeschlagenen Steuereinbehalts,
  • das betroffene Wertpapier mit Name, ISIN und Anzahl, soweit vorhanden, ansonsten die Bezeichnung des betroffenen Kapitalertrags,
  • die Höhe des Kapitalertrags, für den der Steuereinbehal...

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