Rz. 2

§ 44 EStG dient zunächst der Verpflichtung der auszahlenden Stellen zur Durchführung des KapESt-Abzugs. In diesem Zusammenhang werden den auszahlenden Stellen daneben weitere Verpflichtungen auferlegt. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber die KapESt-Besteuerung von den Finanzämtern auf die auszahlenden Stellen verlagert hat. Die auszahlenden Stellen dienen insoweit als "Erfüllungsgehilfen", "Verwaltungshelfer", "Indienstgenommene" bzw. Hilfsorgane der Finanzverwaltung.[1] Als Begründung wird angeführt, dass die auszahlenden Stellen die Möglichkeit hätten, den Steuerabzug "an der Quelle" vorzunehmen. Das BVerfG hat 1991 in seinem "Tipke-Urteil" ausgeführt, dass bis zum 1.1.1993 Vorkehrungen getroffen werden müssen, wonach Zinseinkünfte vor dem Hintergrund der vollständigen und gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) künftig nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich gleich belastet werden.[2] Eine Steuerbelastung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des Stpfl. beruht, weil die Erhebungsregelungen Kontrollen der Steuererklärungen weitgehend ausschließen, trifft nach Ansicht des BVerfG nicht mehr alle und verfehlt damit die steuerliche Lastengleichheit.[3] Dabei sei der Gesetzgeber von Verfassung wegen nicht gehindert, die Besteuerung der Kapitaleinkünfte auf die gesamtwirtschaftlichen Anforderungen an das Kapitalvermögen und die Kapitalerträge auszurichten und entsprechend zu differenzieren.[4] Verfassungsrechtlich sei es auch unbedenklich, die Geldwertabhängigkeit und damit die gesteigerte Inflationsanfälligkeit der Einkunftsart "Kapitalvermögen" bei der Besteuerung zu berücksichtigen. Schließlich könne die Kapitalbildung als Quelle der Altersversorgung oder als sonstige existenzsichernde Versorgungsgrundlage gesondert gewürdigt werden. Aus diesen Vorgaben war der Gesetzgeber der Ansicht, dass ein anrechenbarer Steuerabzug mit Vorauszahlungscharakter, der Zinsabschlag genannt wurde, in Verbindung mit kräftig angehobenen Sparer-Freibeträgen den Weg zur Erfüllung des Auftrags des BVerfG mit den geringsten Nachteilen darstellt.[5] Nach Ansicht des BVerfG sei es daher im Rahmen des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums möglich, dass der Gesetzgeber die ihrer Natur nach nicht einer bestimmten Person zugeordnete und geografisch nicht gebundene Erwerbsgrundlage "Finanzkapital" dadurch erfasst, dass er alle Kapitaleinkünfte – unabhängig von ihrer Anlageform und buchungstechnischen Erfassung – an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer belastet, die in einem linearen Satz den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiert. Zulässig sei ausdrücklich, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen einer definitiven Quellensteuer unterworfen werden.[6] Das G. zur Neuregelung der Zinsbesteuerung (Zinsabschlaggesetz) ist dann zum 1.1.1993 in Kraft getreten.[7] Voraussetzung für den Zinsabschlag ist aber ein so enger Bezug zwischen dem Kreditinstitut und den Kapitalerträgen, dass der Charakter der ausgezahlten oder gutgeschriebenen Beträge als Kapitalerträge sich aus objektiven, dem Kreditinstitut bekannten Umständen ergeben.[8] Der KapESt-Abzug nach § 44 Abs. 1 i. V. m. §§ 43ff. EStG dient daher nach den Vorgaben des BVerfG der vollständigen und gleichmäßigen Besteuerung bzw. der steuerlichen Lastengleichheit. Daher wird die Indienst- bzw. Inpflichtnahme der auszahlenden Stellen für die Vornahme des KapESt-Abzugs regelmäßig mit der Sachnähe und der Förderung des Gemeinwohls der wirkungsvollen und gleichmäßigen Besteuerung gerechtfertigt.[9] Dies gilt auch für andere Abzugsteuern wie etwa die LSt.[10]

[1] Hoffmann, DStR 2016, 1848f.; Geurts, DB 1997, 1997.
[2] BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; BT-Drs. 12/2501, 11.
[3] BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239.
[4] BT-Drs. 12/2501, 11.
[5] BT-Drs. 12/2501, 11.
[6] BVerfG v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239.
[7] BGBl I 1992, 1853.
[8] BT-Drs. 12/2501, 18.
[9] BVerfG v. 29.11.1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, 380 – Kuponsteuer; BVerfG v. 16.3.1971, 1 BvR 52, 754/66, BVerfGE 30, 292 – Erdölbevorratung.
[10] Hoffmann, WM 2010, 193, 196ff.

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