Rz. 98

Fraglich ist seit dem Vz 2008 die Auslegung des Abs. 1 S. 2. Der Gesetzgeber stellt auf die Summe der positiven gewerblichen Einkünfte ab. Dies soll der Betrag sein, der sich nach der Saldierung aller Gewinne und Verluste nach § 15 EStG aus allen Gewerbebetrieben oder mitunternehmerischen Beteiligungen oder als persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA ergibt[1]. Fraglich ist, inwieweit ein horizontaler und vertikaler Verlustausgleich zu erfolgen hat. Hierzu wird auf den Gesetzeswortlaut verwiesen, der auf die Summe der positiven gewerblichen Einkünfte verweist und nicht auf die positive Summe der gewerblichen Einkünfte[2]. Danach wären also nur die positiven gewerblichen Einkünfte zu berücksichtigen. Allerdings umfasst der Begriff der Einkünfte schon einen horizontalen Verlustausgleich[3].

 

Rz. 99

Durch das JStG 2008[4] wurde im Gesetz eine Formel zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags eingefügt. Diese lautet:

 
Summe der gewerblichen Einkünfte × geminderte tarifliche Steuer
Summe aller positiven Einkünfte

Zweck war es dabei, die bisherige Verwaltungsauffassung gesetzlich festzuschreiben, die der BFH mit seiner Rechtsprechung zur Meistbegünstigung[5], also ohne ausreichende Rechtsgrundlage angesehen hat[6].

 

Rz. 100

Der Begriff der gewerblichen Einkünfte nimmt Bezug auf S. 3, was sich aus der inhaltlichen Nähe innerhalb des Gesetzes ergibt. Folglich sind hierunter nur solche Gewinne und Gewinnanteile zu verstehen, die der GewSt unterliegen. Diese gewerblichen Einkünfte müssen – auch nach einer evtl. erforderlichen Saldierung – positiv sein. Eine solche Einschränkung ist mit der Zielsetzung einer Vermeidung der Doppelbelastung mit ESt und GewSt erklärlich.

 

Rz. 101

Fraglich ist, wie die Ermittlung der Einkünfte zu erfolgen hat. Dies kann in dem Sinne geschehen, dass auf die Einkünfte zu Beginn abgestellt wird oder dass die gewerblichen Einkünfte auch nach ihrer Verrechnung mit Abzugsposten immer noch positiv sein müssen. Die Intention des Gesetzgebers legt Letzteres nahe[7].

 

Rz. 102

Liegen insgesamt negative gewerbliche Einkünfte vor, beträgt der maximal mögliche Ermäßigungsbetrag "Null". Folglich scheidet eine Ermäßigung der ESt vollständig aus, und zwar auch dann, wenn tatsächlich GewSt bezahlt werden musste. Dies kann insbesondere aufgrund hoher gewerbesteuerlicher Hinzurechnungsbeträge geschehen.

 

Rz. 103

In der Literatur werden zur Frage, inwieweit Verluste zu berücksichtigen sind, unterschiedliche Auffassungen vertreten: Diese reichen von einer anteiligen Verlustverrechnung, über eine Verlustverrechnung i. S. v. § 2 Abs. 3 EStG a. F. bis zu einer Auslegung, die einen vollständigen Verlustausgleich innerhalb der gewerblichen Einkünfte vorsieht, weil es insoweit an einer abweichenden gesetzlichen Regelung fehlt. M. E. ist letzterer Auffassung zu folgen, weil andernfalls auf eine zu schließende Regelungslücke abzustellen wäre bzw. der Abschaffung der Mindestbesteuerung in § 2 Abs. 3 EStG a. F. nicht hinlänglich Rechnung getragen würde.

 

Rz. 104

Nach Auffassung der Finanzverwaltung[8] sind die positiven Einkünfte aus jeder Quelle gesondert zu betrachten. Dies hat zur Folge, dass bei mehreren Quellen (z. B. Beteiligungen an Personengesellschaften) eine jeweils isolierte Betrachtung erfolgt. Hingegen soll ein Ausgleich zwischen positiven und negativen Quellen (sog. horizontaler Verlustausgleich) und zwischen verschiedenen Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) nicht erfolgen. In diesen Fällen soll nach Auffassung der Finanzverwaltung[9] auch ein Verlustausgleich zwischen den Ehegatten nicht erfolgen. Insbesondere letzterem Umstand begegnen grundlegende Bedenken, weil damit gegen den Grundsatz verstoßen wird, dass es bei Ehegatten unerheblich ist, wer welche Einkünfte erzielt. Dies gilt insbesondere, wenn etwa beide Ehegatten an derselben Personengesellschaft beteiligt sind und einer Gewinne und der andere Verluste erzielt. Solche unterschiedlichen Ergebnisse können insbesondere infolge von Zahlungen im Bereich des Sonderbetriebsvermögens entstehen.

 

Rz. 105

Aus R. 35 Rz. 16ff. EStR 2012 und den EStH 2011 ergibt sich, dass die Finanzverwaltung den Ermäßigungshöchstbetrag nur anteilig im Verhältnis der positiven Einkünfte ermitteln möchte. Dies hätte zur Folge, dass eine Nichtberücksichtigung von Verlusten erfolgt, unabhängig davon, ob diese bei den Einkünften aus § 15 EStG oder einer der anderen Einkunftsarten entstehen. Im Ergebnis kommt es damit rechnerisch zu einer anteiligen Verlustverrechnung über alle Einkunftsarten.

 

Rz. 106

Der Bundesrat hatte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum JStG 2009 einen Antrag auf Konkretisierung der Formel i. S . einer Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags anhand von Einkunftsquellen vorgeschlagen[10]. Diese Initiative fand im Rahmen der parlamentarischen Beratungen jedoch nicht die erforderliche Mehrheit, sodass es bei der bisherigen Regelung geblieben ist.

 

Rz. 107

Denkbar ist, dass einzelne der in § 34 Abs. 2 EStG genannten außerordentlichen Einkünfte der GewS...

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