Rz. 91

Streitig ist, wie die anteilige ESt zu bestimmen ist. Der Gesetzeswortlaut spricht von der "anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte" entfallende Steuer. Die Finanzverwaltung[1] stellt auf das Verhältnis der gewerblichen Einkünfte zur Summe der Einkünfte ab. Dabei sollen in Verlustfällen die Regelungen des § 2 Abs. 3 EStG a. F. analog anzuwenden sein. Im Schrifttum wird teilweise statt der tariflichen ESt auf die um Steuerermäßigungen geminderte tarifliche ESt abgestellt[2] oder das Verhältnis der gewerblichen Einkünfte zur Summe der Einkünfte herangezogen[3]. M. E. ist dem nicht zu folgen, sondern auf den Gesetzeswortlaut abzustellen. Die sog. anteilige Steuer ergibt sich danach nach folgender Formel[4]:

 
Anteilige Steuer = enthaltene gewerbliche Einkünfte × tarifliche Steuer
zu versteuerndes Einkommen

Hierbei ist zu beachten, dass die gewerblichen Einkünfte nicht steuerfrei sein dürfen und durch einen evtl. Verlustausgleich oder -abzug verringert wurden. Liegen Verluste vor, die unter die Mindestbesteuerung im § 2 Abs. 3 EStG a. F. zur Begrenzung des horizontalen und vertikalen Verlustausgleichs fielen, waren diese Regelungen entsprechend anzuwenden[5]. Eine Minderung der gewerblichen Einkünfte erfolgt auch durch den Verlustabzug nach § 10d EStG, wobei auch hier die Regelungen der Mindestbesteuerung a. F. zu berücksichtigen waren. Zwar werden hierzu im Schrifttum abweichende Auffassungen vertreten[6], doch ist m. E. dieser Auffassung nicht zu folgen. Sie hätte eine Suspendierung der Mindestbesteuerung für Zwecke des § 35 EStG zur Folge. Ferner wird die vom Gesetzgeber mit der Mindestbesteuerung verfolgte Zielsetzung, eine möglichst umfassende Beschränkung der Verlustberücksichtigungsmöglichkeiten zu erreichen[7], nicht beachtet. Dies verlangt, die Mindestbesteuerung auch im Rahmen der Ermittlung der anteiligen Steuer zu berücksichtigen.

 

Rz. 92

Die im Gesamtbetrag der Einkünfte zusammengefassten Einkunftsarten werden durch die weiteren Abzüge, wie insbesondere Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und tarifliche Freibeträge, nicht (anteilig) gemindert. Etwas anderes gilt lediglich für die Abzüge zwischen der Summe der Einkünfte und dem Gesamtbetrag der Einkünfte. Dies sind der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG und der Abzug nach § 13 Abs. 3 EStG.

 

Rz. 93

Werden Ehegatten zusammen veranlagt, können sich hieraus sowohl Auswirkungen auf den gewerblichen Anteil als auch auf das Anrechnungspotenzial ergeben. Ursächlich hierfür ist, dass die Einkünfte in den horizontalen und vertikalen Verlustausgleich einfließen und insoweit zu berücksichtigen sind. Der BFH hat mit Urteil v. 27.9.2007[8] entschieden, dass der vertikale Verlustausgleich mit positiven Einkünften des Ehegatten vorrangig vor der Anwendung des § 35 EStG ist. Diese Entscheidung bezog sich auf einen horizontalen Verlustausgleich innerhalb der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gegenstand des BFH-Verfahrens III R 69/10 ist die Frage, ob dies auch für den horizontalen Verlustausgleich gilt. Das FG Hamburg[9] geht erstinanzlich davon aus, dass § 26 EStG nicht zu entnehmen sei, dass die Einkünfte bereits auf der Ebene der einzelnen Einkunftsarten jeweils für beide Ehegatten gemeinsam ermittelt werden müssen[10]. Im Einzelfall sollte geprüft werden, ob mögliche Nachteile durch die Wahl einer getrennten Veranlagung vermieden werden können. Dies setzt eine konkrete Vergleichsrechnung im jeweiligen Einzelfall voraus.

 

Rz. 94

Die Regelungen zur Mindestbesteuerung in § 2 Abs. 3 S. 2 bis 8 EStG a. F. sind durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergüngstigungsabbaugesetz[11] aufgehoben worden. Damit sind die Regelungen zur Beschränkung des horizontalen und vertikalen Verlustausgleichs für Vz ab 2004 nicht mehr anzuwenden.

 

Rz. 95

Zu Problemen konnte es insbesondere beim Aufeinandertreffen unterschiedlicher Begünstigungen kommen. Der BFH wendet seit dem Urteil v. 27.9.2006[12] das sog. Meistbegünstigungsprinzip an. Danach sind negative Einkünfte vorrangig mit den nicht gem. § 35 EStG begünstigten Einkünften des Stpfl. bzw. des ggf. mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten mit solchen des Ehegatten zu verrechnen. Allerdings hat eine Verrechnung mit begünstigten Einkünften zu erfolgen, soweit die übrigen Einkünfte nicht für den Verlustausgleich bzw. Verlustabzug ausreichen. Dieser Auffassung folgte auch die Finanzverwaltung[13].

 

Rz. 96

Die gewerblichen Einkünfte i. S. v. § 35 Abs. 1 S. 1 EStG sind bis einschließlich Vz 2007 in dieser Norm nicht definiert. Dies legt einen Rückgriff auf das Verständnis des § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG nahe. Allerdings würde eine solche Vorgehensweise nicht den Sinn und Zweck des § 35 EStG berücksichtigen. Er soll die Einkünfte entlasten, die der GewSt unterlegen haben[14]. Folglich ist es geboten, darauf abzustellen, welche als Einkünfte i. S. d. §§ 15 ff. EStG der GewSt unterlagen. Gab es hingegen keine solche Belastung, besteht ke...

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