Rz. 76

Kosten der direkten Heilbehandlung sind unter den Nachweiserfordernissen des § 64 EStDV grundsätzlich abziehbar. Hierbei kommt es insbesondere auf den Zweck der Wiederherstellung der Gesundheit an. Dazu gehören Maßnahmen, die "unter Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern".[1] Die Definition ist insoweit missverständlich, als dass Aufwendungen für die allgemeine medizinische Vorsorge nicht in jedem Falle abziehbar sind (Rz. 74). Darüber hinaus können auch Kosten abziehbar sein, die für eine nicht anerkannte Heilmethode geleistet werden, jedoch aufgrund einer besonderen Notsituation des Stpfl. zwangsläufig erwachsen.[2] Nicht hierunter fallen m. E. Kosten für einen Wunderheiler.[3] Ebenfalls nicht hierunter fallen Kosten für eine Tomatis-Therapie[4] oder eine Bioresonanztherapie.[5] Der BFH hat aber auch entschieden, dass Krankheitskosten, die der Abwehr bzw. Erträglichmachung einer tödlichen Krankheit ("Fernreiki") dienen, ohne formalisierten Nachweis zu jedem Präparat nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuzulassen sind.[6] Aufwendungen für die operative Behandlung einer Liposuktion (in Form einer Fettabsaugung) sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich zu berücksichtigen, wenn vor der Operation kein amtsärztliches Attest erstellt wurde.[7]

Die Behandlung muss regelmäßig durch qualifiziertes Personal, das über eine gesetzliche Zulassung zur Ausübung der Heilkunde verfügt, erfolgen.[8]

Allerdings hat das Sächsische FG entschieden, dass zumindest im Jahr 2017 ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse vorlagen, dass die Liposuktion zur Behandlung bei einem Lipödem eben gerade nicht mehr als "wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode" gelten würde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und so muss der BFH entscheiden, ob dem zu folgen ist und für den Abzug von Behandlungskosten mithin nicht die erschwerten Nachweise des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV gelten.[9]

Das FG Rheinland-Pfalz hat dies mit einer ausführlichen Begründung für den Vz 2018 hingegen hiervon abweichend beurteilt und vertritt die Auffassung, dass es sich bei der Liposuktion mangels belastbarer Studien nach wie vor um eine Methode handelt, die nicht hinreichend wissenschaftlich anerkannt ist.[10] Die Krankenkassen haben sich demgegenüber dazu entschlossen, eine Studie in Auftrag zu geben und im Zeitraum bis 2024 in ausgewählten Fällen die Kosten der Liposuktion zu übernehmen, sofern Patienten an einem Lipödem der Stufe III leiden. Insoweit hat auch das FG München den Abzug von Kosten für eine Liposuktion ohne ex ante eingeholtes Gutachten eines Amtsarztes bzw. des medizinischen Dienstes der Krankenkassen bei einem Stpfl. mit einem Lipödem der Stufe II für das Vz 2016 abgelehnt.[11] Betroffenen Stpfl. ist anzuraten, grds. vor Durchführung der Maßnahme ein amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung des medizinischen Dienstes einzuholen. Sofern dies nicht möglich ist, sollten entsprechende Bescheide unter Verweis auf das o. g. BFH-Verfahren offengehalten werden, m. E. dürften allerdings keine hinreichenden Gründe für die Gewährung einer AdV bestehen.

Nicht zum Abzug zugelassen sind Folgekosten einer Krankheit, soweit diese keiner Heilbehandlung, sondern eindeutig der privaten Lebensführung zuzuordnen sind, wie z. B. erhöhte Lebensmittelkosten bei einer Bulimie.[12]

 

Rz. 77

Eine Unterteilung der Kosten in solche, die notwendig und angemessen sind, und solche, die als unangemessen gelten, erfolgt regelmäßig nicht. Vielmehr wird generell davon ausgegangen, dass entstandene Kosten notwendig sind.[13]

 

Rz. 78

Ein Abzug der Kosten erfolgt auch dann, wenn der Stpfl. die Krankheitsursache leichtfertig oder fahrlässig selbst verursacht bzw. verschuldet hat (Rz. 33f.).[14] Auch sofern bereits vorgenommene kosmetische Operationen aus gesundheitlichen Gründen anschließend korrigiert werden (z. B. Entfernung risikobehafteter Brustimplantate), kann ein Abzug als außergewöhnliche Belastung erfolgen. Abzugsfähig sind auch Kosten einer speziellen Therapie oder eines "teureren" Facharztes; die Möglichkeit zur Überprüfung von Notwendigkeit und Angemessenheit der Kosten ergibt sich aus den besonderen Nachweisregelungen des § 64 EStDV.

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