Rz. 71

§ 32d Abs. 4 EStG sieht vor, dass der Stpfl. für Kapitalerträge, die der KapESt unterlegen haben, eine Steuerfestsetzung entsprechend § 32d Abs. 3 S. 2 EStG beantragen kann. In diesem Fall muss der Stpfl. die betroffenen Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben. § 32d Abs. 4 EStG soll dem Stpfl. die Möglichkeit geben, steuermindernde Umstände, die beim Steuerabzug vom Kapitalertrag nicht berücksichtigt werden konnten, unter Durchbrechung der Abgeltungswirkung i. S. d. § 43 Abs. 5 EStG im Veranlagungsverfahren geltend zu machen. Außerdem soll der Stpfl. mithilfe des Antrags i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG eine Überprüfung des von den Kreditinstituten vorgenommenen KapESt-Einbehalts dem Grunde und der Höhe nach durch das FA und die Finanzgerichte herbeiführen können.[1] Eine Anfechtung der KapESt-Anmeldung erledigt sich in diesem Fall, da eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des KapESt-Einbehalts im Veranlagungsverfahren vorrangig gegenüber einer Überprüfung der Rechtsmäßigkeit im Steuerabzugsverfahren ist.[2] Eine Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG lässt die Anwendung der besonderen Besteuerungsgrundsätze für die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG unberührt. Es gilt der proportionale Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG. Das Abzugsverbot für Werbungskosten i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG und das Verlustverrechnungsverbot i. S. d. § 20 Abs. 6 EStG sind zu beachten. Der Sparer-Pauschbetrag i. H. v. 1.000 EUR kann abgezogen werden. Die Anrechnung ausl. Quellensteuern richtet sich nach der Sonderregel gem. § 32d Abs. 5 EStG.

 

Rz. 72

§ 32d Abs. 4 EStG findet auf alle Kapitalerträge Anwendung, bei denen ein Steuerabzug vom Kapitalertrag durchgeführt wurde. Ob der KapESt-Einbehalt zu Recht erfolgte, spielt keine Rolle.[3] Hieran anknüpfend gestattet § 32d Abs. 4 EStG dem Stpfl., die Kapitalerträge unter Durchbrechung der Abgeltungswirkung i. S. d. § 43 Abs. 5 EStG in die Veranlagung einzubeziehen, wofür eine Angabe der Kapitalerträge in der Steuererklärung erforderlich ist. Der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG ist an keinen bestimmten Grund gebunden. Bei den in § 32d Abs. 4 EStG genannten Fällen, wie der Geltendmachung eines nicht vollständig ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrags i. S. d. § 20 Abs. 9 EStG oder der Korrektur einer Ersatzbemessungsgrundlage i. S. d. § 43a Abs. 2 S. 7 EStG, handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielsfällen.[4] Es sind weitere Fälle denkbar, in denen ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG sinnvoll sein kann, etwa zur Geltendmachung von Veräußerungskosten i. S. d. § 20 Abs. 4 S. 1 EStG oder zum Nachweis eines unentgeltlichen Depotübertrags i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 4 EStG.[5] Auch eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus Depots, die bei verschiedenen Kreditinstituten geführt werden, ist mithilfe eines Antrags i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG möglich.[6] Der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG muss nicht für sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG gestellt, sondern kann auf bestimmte Kapitalerträge beschränkt werden.[7] Nicht möglich ist ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG nach Ansicht der Finanzverwaltung zur Verrechnung von positiven Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG mit negativen Einkünften aus anderen Einkunftsarten. In diesem Fall muss der Stpfl. einen Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG stellen.[8] Stellt der Stpfl. einen Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG, sind Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. d. § 23 EStG a. F. zwingend mit Neugewinnen i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG n. F. zu verrechnen, wenn keine Ausgleichsmöglichkeit mit Neugewinnen i. S. d. § 23 EStG besteht. Eine Verrechnung von Altverlusten i. S. d. § 23 EStG a. F. geht dabei einer Verrechnung von Neuverlusten i. S. d. § 20 Abs. 2 EStG vor.[9] Der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG muss nach dem Wortlaut des Gesetzes zusammen mit der ESt-Erklärung gestellt werden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG wie der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 6 EStG jedoch bis zur Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids möglich sein. Nach diesem Zeitpunkt soll ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG noch so lange gestellt werden können, wie eine Änderung des Steuerbescheids möglich ist.[10] Dieser Ansicht hat sich der BFH mittlerweile angeschlossen.[11] Bei einer Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 AO ist zu beachten, dass in die Entscheidung, ob nachträglich bekanntgewordenen Tatsache zu einer höheren oder niedrigeren ESt führen, auch die im Steuerabzugsverfahren erhobene ESt einzubeziehen ist.[12] Im Hinblick auf eine Änderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist zu beachten, dass der Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG für sich betrachtet noch kein rückwirkendes Ereignis ist, das eine Änderung des Steuerbescheids ermöglicht.[13] Ein Antrag i. S. d. § 32d Abs. 4 EStG hat stets nur Gültigkeit für einen Vz. Will der Stpfl. auch im folgenden Vz eine Einbeziehung seiner Kapitalerträge in die Veranlagungen erreichen, muss er einen neuen An...

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