Rz. 9

Gegen den besonderen proportionalen Steuertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 S. 1 EStG für die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar führt § 32d Abs. 1 S. 1 EStG zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG. Während für die Einkünfte aus Kapitalvermögen ein proportionaler Sondertarif i. H. v. 25 % gilt, unterliegen die Einkünfte der anderen Einkunftsarten dem progressiven Normaltarif i. H. v. bis zu 45 %. Mit dieser Privilegierung verfolgt der Gesetzgeber jedoch wirtschaftspolitische Lenkungsziele. Denn durch die Absenkung des Steuersatzes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG soll eine Verbesserung der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland erreicht werden. Die Verlagerung von Kapitalvermögen ins Ausland soll gebremst und im Ausland befindliches Kapitalvermögen soll nach Deutschland zurückgeführt werden. Hiervon erhofft sich der Gesetzgeber nicht nur eine Förderung der Gesamtwirtschaft, sondern auch eine Sicherung der inländischen Steuerbasis.[1] Diese auf die Standortsicherung bezogenen gesetzgeberische Ziele sind geeignet, die durch § 32 Abs. 1 S. 1 EStG bewirkte Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber ist nach Ansicht des BVerfG nicht gehindert, die Besteuerung der Kapitaleinkünfte auf gesamtwirtschaftliche Anforderungen auszurichten. Dabei bleibt es auch im Rahmen des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums, wenn er die ihrer Natur nach nicht einer bestimmten Person zugeordnete und geografisch nicht gebundene Erwerbsgrundlage Finanzkapital dadurch erfasst, dass er alle Kapitaleinkünfte unabhängig von ihrer Anlageform und buchungstechnischen Erfassung an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer belastet.[2] Auf dieser Grundlage ist § 32d Abs. 1 S. 1 EStG als mit der Verfassung vereinbar anzusehen, was der BFH ausdrücklich bestätigt hat.[3]

[1] BT-Drs. 16/4841, 29ff.
[3] BFH v. 29.4.2014, VIII R 9/13, BFH/NV 2014, 1617, BStBl II 2014, 986; BFH v. 29.4.2014, VIII R 44/13, BFH/NV 2014, 1624, BStBl II 2014, 992; s. auch BFH v. 8.8.2023, IX B 117/22, BFH/NV 2023, 1228: Kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. d. § 21 EStG mit dem besonderen Proportionaltarif i. S. d. § 32d EStG.

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