Rz. 46

Seit der Neukonzeption des Abs. 1 durch Gesetz v. 19.12.2008 (Rz. 1e) ist der Regelungsbereich der Vorschrift auf Verluste aus Drittstaaten beschränkt. Für Verluste aus den EU- und EWR-Staaten gibt es daher keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wenn man von dem Ausschluss des positiven und negativen Progressionsvorbehalts in § 32b Abs. 1 S. 2, 3 EStG absieht. Die Abzugsfähigkeit von Verlusten aus EU- und EWR-Staaten richtet sich daher nach den allgemeinen Regeln, insbesondere den Grundfreiheiten. Folgt man der "Symmetriethese" (Rz. 10b), sind Verluste aus EU- und EWR-Staaten im Inland nicht abzugsfähig, wenn entsprechende Gewinne aufgrund eines DBA im Inland ebenfalls nicht erfasst werden. Damit stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundfreiheiten, insbesondere der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV. Verluste aus inl. Aktivitäten, insbes. von Betriebsstätten, sind im Inland abziehbar, Verluste aus ausl. Aktivitäten bei Anwendung der Freistellungsmethode nach der Symmetriethese dagegen nicht. Das kann einen Stpfl. davon abhalten, wirtschaftliche Tätigkeiten im EU- oder EWR-Ausland zu entfalten, insbes. dort eine Betriebsstätte zu unterhalten, und damit von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen.

 

Rz. 47

Nach der Rspr. des EuGH ist ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten trotz Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheit zu verneinen, wenn eine Regelung dazu dient, die Steuerhoheiten der beteiligten Staaten gegeneinander abzugrenzen und daher gerechtfertigt ist.[1] Aus einer solchen Abgrenzung von Steuerhoheiten kann kein Verstoß gegen die Grundfreiheiten abgeleitet werden, auch wenn sie im Ergebnis zu einer höheren Steuerbelastung führt. Wenn 2 Staaten ihre jeweiligen Steuerhoheiten so abgegrenzt haben, dass bestimmte Aktivitäten (z. B. eine Betriebsstätte) nur im Quellenstaat (Betriebsstättenstaat) besteuert werden, kann diese Abgrenzung auch die Verluste aus dieser Aktivität erfassen, selbst wenn dies für den Stpfl. im Einzelfall ungünstig ist. In diesem Fall werden die Aktivitäten in einem Staat (und nur in einem Staat) besteuert; das wäre auch bei einer nur inl. Aktivität der Fall.

 

Rz. 48

Der EuGH hat jedoch weiter entschieden, dass die Abgrenzung der Steuerhoheiten nicht dazu führen dürfe, dass Verluste im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen EU-Staaten in keinem Staat abzugsfähig sind. Das würde gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV verstoßen. Daher nahm der EuGH[2] an, dass Verluste dann in dem Ansässigkeitsstaat des Stpfl. berücksichtigt werden müssen, wenn im Quellenstaat nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Verlustabzugs einschließlich einer etwa bestehenden Möglichkeit der Übertragung des Verlustvortrags auf Dritte ein nicht abgezogener Verlust verbleibt, der auch bei zukünftigen Gewinnen nicht mehr abgezogen werden kann. Der Stpfl. müsse jedoch alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Verlustberücksichtigung ausnutzen, also z. B. stille Reserven auflösen, Verlustrückträge beantragen oder die Möglichkeiten zur Übertragung von Verlusten auf andere Konzerngesellschaften oder Dritte nutzen.

 

Rz. 49

Die Rspr. des EuGH (Rz. 48) hat eine Vielzahl von Zweifelsfragen ausgelöst. So kann gefragt werden, wann Verluste "final" werden und welcher Staat für die Nichtabzugsfähigkeit verantwortlich ist. Problematisch ist auch das Verfahren, in dem "finale" Verluste zu berücksichtigen wären.

Verluste können "final" werden, wenn die Betriebsstätte endgültig aufgegeben wird und keine Gewinne, auch keine Aufgabe- oder Liquidationsgewinne, mehr entstehen.[3] Final können Verluste daher nur sein, wenn die Einkunftsquelle endgültig und vollständig eingestellt worden ist. Es sind alle Aktivitäten in dem betreffenden Staat einzubeziehen, also auch weiterbestehende andere Betriebsstätten. Bestehen noch solche Betriebsstätten, sind die Verluste der aufgegebenen Betriebsstätte nicht "final". Der bloße Umstand jedoch, dass das Stammhaus eine neue Betriebsstätte gründen könnte, schließt die Finalität nicht aus.[4] Zur endgültigen Nichtberücksichtigung der Verluste kann es auch kommen, wenn die Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird und die Verluste dabei nach dem ausl. Recht nicht übergehen, oder wenn die Betriebsstätte veräußert wird und der Erwerber die Verluste nicht übernehmen kann (Rz. 51).[5] In den beiden letztgenannten Fällen müssen aber die stillen Reserven in der Betriebsstätte aufgedeckt werden, um die dadurch entstehenden Gewinne mit den Verlusten verrechnen zu können. Im Fall der Umwandlung der Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft darf die Umwandlung insoweit nicht zu Buchwerten erfolgen, selbst wenn dies nach dem ausl. Recht möglich wäre. Gleiches gilt, wenn das inländische Stammhaus auf einen anderen Rechtsträger umgewandelt wird.[6]

Rz. 50 einstweilen frei

 

Rz. 51

Soweit danach der Abzug der Verluste im Ansässigkeitsstaat in Betracht kommt, ist die Befugnis der Mitgliedstaaten, ihre Steuerhoheiten gegeneinan...

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