Rz. 18

Die Verfassungsmäßigkeit des Splittingverfahrens wird vor allem unter 2 Aspekten diskutiert: Bevorzugung in intakter Ehe lebender Ehegatten gegenüber getrennt lebenden Eheleuten sowie Benachteiligung lediger Stpfl. bzw. in eheähnlicher oder gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebender Stpfl. gegenüber zusammen veranlagten Ehegatten. Dabei stehen sich die Grundsätze der Individualbesteuerung einerseits und der Gedanke der Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft gegenüber. Hinsichtlich eingetragener Lebenspartner ist die Verfassungsmäßigkeit geklärt (Rz. 22).

 

Rz. 19

§ 26 Abs. 2 EStG unterscheidet bei Ehegatten 2 Gruppen: Eine Gruppe bilden diejenigen Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben und damit bei der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) dem günstigen Splittingtarif (§ 32a Abs. 5 EStG) unterliegen oder bei der Einzelveranlagung gem. § 26a EStG) zumindest Vorteile bei der Aufteilung der persönlichen Abzüge haben. Steuerliche Nachteile gegenüber Ledigen sind nur in seltenen und unbedeutenden Fällen denkbar.[1] Die andere Gruppe bilden die Ehegatten, die dauernd getrennt leben und wie Ledige besteuert werden. Da auch die "kranken" Ehen grundsätzlich noch dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterliegen[2], stellt sich die Frage, ob diese steuerliche Differenzierung zwischen verschiedenen Ehen verfassungsrechtlich zulässig ist.

 

Rz. 20

Der BFH hat dies in st. Rspr. bejaht.[3] Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil diese Vorschrift zwar den Gesetzgeber hindert, Eheleute schlechter als unverheiratete Personen zu behandeln[4], nicht aber verlangt, dass sie besser als diese behandelt werden. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist deshalb nicht gegeben, weil es nicht willkürlich ist, "gesunde" und "kranke" Ehen steuerrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Es steht dem Gesetzgeber frei, nur solche Ehen durch das Splittingverfahren zu begünstigen, bei denen eine intakte Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten besteht, die "ratio legis" für die Gewährung des Splittingtarifs ist. Das Splittingverfahren entspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es beruht darauf, dass zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat, und knüpft damit an die Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet. Diese Besteuerung entspricht ebenso den familienrechtlichen Grundwertungen der Zugewinngemeinschaft und des Versorgungsausgleichs. Es stellt nach dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) eine sachgerechte Besteuerung dar.[5]

 

Rz. 21

Ebenfalls geklärt ist, dass auch Alleinstehenden mit Kindern das Splittingverfahren nicht zusteht.[6] Der BFH hat entschieden, dass kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt, wenn das eigene Einkommen eines Alleinerziehenden auch insoweit stpfl. ist, als es für den Unterhalt der Kinder eingesetzt wird.[7] und dass die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif anstelle einer Besteuerung nach dem Splittingtarif verfassungsgemäß ist.[8] Die Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses verwitweter Alleinerziehender aus dem Anwendungsbereich des Ehegattensplittings hat der BFH bejaht.[9] Es ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten, das Splittingverfahren auf die Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft – selbst wenn Kinder vorhanden sind – auszudehnen.[10]

Gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens sind Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft bzw. die "Ehe für alle" (gleichgeschlechtliche Partner)[11] die Bedingungen für eine einkommensteuerliche Privilegierung.

 

Rz. 22

Der BFH hatte eingetragenen Lebenspartnerschaften das Splittingverfahren nicht gewährt[12]; das BVerfG hat aber die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften in mehreren Entscheidungen festgestellt. Als unvereinbar mit Art. 3 GG beurteilte das BVerfG die Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragenen Lebenspartnerschaften im Erbschaftsteuerrecht[13] und der betrieblichen Hinterbliebenenrente.[14] Gleiches gilt für die GrESt.[15] Mit Beschluss v. 7.5.2013[16] stellte das BVerfG fest, dass der Ausschluss eingetragener Lebenspartner vom Ehegattensplitting im ESt-Recht verfassungswidrig ist. Denn auch die eingetragene Lebenspartnerschaft sei eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs, in denen ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit wie bei einer Ehe stattfinde. Hierauf reagierte der Gesetzgeber mit der Einführung von § 2 Abs. 8 EStG, nachdem die Regelungen des EStG zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden sind.[17] Der Anspruch auf Zusammenveranlagung besteht rückwirkend (für nicht bestandskräftige Steuerbescheide) – aus Sicht des Jahres 2013 – bis zum Vz 2001. Eine Änderung bestandskräftiger Bescheide scheidet aus. Dieser Schluss ergibt...

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