2.1 Allgemeines

 

Rz. 11

Nach § 24 Nr. 1 EStG ist eine Entschädigung für Einnahmen, die einer der in § 2 EStG genannten Einkunftsarten zuzurechnen sind, wie Einnahmen zu behandeln; es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Fall der Surrogation (vgl. auch § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 4 EStG, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG). Die Entschädigung braucht nicht unter dieselbe Einkunftsart zu fallen, aus der die ursprünglich erzielten Einnahmen stammen. Entschädigungen können neben den Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 1–6 EStG auch § 22 Nr. 3 EStG zugeordnet werden.[1] Die Entschädigungen sind mithin nicht (mehr) stets als Einkünfte der Einkunftsart anzusehen, zu der sie nach ihrem Wesen gehören. Sie müssen jedoch einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG zugerechnet werden können. § 24 EStG setzt das Vorhandensein einer Einkunftsquelle voraus. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern zivilrechtlich Leistungen zur Erfüllung eines Schuldverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.[2]

Erhält ein im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses 12-jähriges Verkehrsunfallopfer von der Versicherung des Schädigers nach Schweizer Recht Ersatz für den verletzungsbedingt erlittenen, rein hypothetisch berechneten Erwerbs- und Fortkommensschaden, kommt eine Anwendung von § 24 EStG nicht in Betracht, wenn die Vereinbarung der an der Schadensregulierung Beteiligten -trotz der Bezeichnung der gewährten Versicherungsleistung als "Verdienstausfall"- nicht dahin gedeutet werden kann, dass damit Ersatz für steuerbare Einnahmen aus einer konkreten, d. h. bestimmten oder jedenfalls hinreichend bestimmbaren Einkunftsquelle i. S. des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7 EStG gezahlt werden sollte.[3]

[1] BFH v. 12.6.1996, XI R 43/94, BStBl II 1996, 516 betr. Entgelt für umfassendes Wettbewerbsverbot; a. A. noch BFH v. 30.3.1982, III R 150/80, BStBl II 1982, 552.
[2] FG Münster v. 15.12.2020, 2 K 2866/18 E, Haufe-Index 14320836: Schadenersatz wegen Falschberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung als Kapitalertrag.

2.2 Begriff der Entschädigung

 

Rz. 12

Der Begriff der "Entschädigung" wird im Gesetz nicht definiert. Die Rspr. versteht darunter, dass die Ersatzleistung unmittelbar durch den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen bedingt ist, mit denen der Stpfl. rechnen konnte; Entschädigungen sind Zahlungen zum Ausgleich von Schäden infolge einer eingetretenen oder zu erwartenden Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Stpfl.[1] Die Entschädigung erfordert keine Zusammenballung, dies ist aber Voraussetzung der Begünstigung nach § 34 EStG (Rz. 38ff.).

 

Rz. 13

In Betracht kommen schadenstiftende Ereignisse völlig unterschiedlicher Art. Auf die zur Entschädigung verpflichtenden Rechtsgrundlagen kommt es nicht an: Es kann sich um Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung (z. B. unberechtigte Kündigung von Dauerschuldverhältnissen), Vertrauenshaftung und unerlaubten Handlungen[2] handeln, aber auch um die Herausgabepflicht von Mietentgelten nach § 7 Abs. 7 S. 2 VermG.[3] Mögliche Anspruchsgrundlage der Entschädigung sind daneben auch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Sozialpläne, Satzungen von Verbänden, Vergleiche sowie in Fällen ohne Rechtsanspruch der einseitige, insb. durch Billigkeitserwägungen motivierte Entschluss des Leistenden.

 

Rz. 14

Die Voraussetzungen der Entschädigungstatbestände nach § 24 Nr. 1 Buchst. a bis c EStG unterscheiden sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion: Da § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG die Abwicklung von Interessen aus dem bisherigen Rechtsverhältnis behandelt, ist die Entschädigung gegenüber dem Erfüllungsinteresse abzugrenzen; die Entschädigung bedarf grundsätzlich einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage (Rz. 26). Die Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit oder die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung setzt dagegen die Mitwirkung des Stpfl. voraus, kann somit einvernehmlich vereinbart werden und bedarf keiner neuen Rechtsgrundlage (Rz. 46). § 24 Nr. 1 Buchst. c EStG verweist auf § 89b HGB (Rz. 53).

2.3 Ersatz steuerpflichtiger Einnahmen

 

Rz. 15

Entschädigungen für Einnahmen, die nicht zu den Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG gehört hätten, werden auch durch § 24 EStG nicht zu steuerpflichtigen Einkünften.[1] Deshalb fallen Entschädigungen wegen Körperverletzung nur unter § 24 EStG, soweit sie entgangene oder entgehende Einnahmen aufgrund der verminderten Erwerbsfähigkeit (Verdienstausfall) ersetzen. Beträge für Arzt- und Heilungskosten, Mehraufwendungen während der Krankheit, Schmerzensgeld[2] sowie der Ausgleich entgangener Unterhaltsleistungen oder Dienste (§ 844f. BGB) sind steuerfrei. Durch den am 22.7.2017 i...

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