Rz. 58

Nach früherer Auffassung setzte eine Vermögensübergabe die Übertragung einer die Existenz des Übergebers zumindest teilweise sichernden Wirtschaftseinheit voraus. Bei dieser Vermögensübergabe behält sich der Übergeber typischerweise vom Übernehmer zu erwirtschaftende Erträge seines Vermögens vor. Von dem Begriff der existenzsichernden Wirtschaftseinheit hat sich BFH v. 12.5.2002, GrS 1/00, BStBl II 2004, 95 indes gelöst und knüpft für den Vorbehalt der Erträge nunmehr an das Bild des Vorbehaltsnießbrauchs an. Entscheidend für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer Vermögensübergabe sein kann, ist die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Ist bei einem Wirtschaftsgut die Bestellung eines Vorbehaltsnießbrauchs denkbar, wird das Vermögen ohne die Erträge übertragen, die dem Übergeber nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen.[1] Mit dieser Begründung hat der Große Senat die Art der gegen Versorgungsleistungen übertragbaren Wirtschaftsgüter erheblich ausgeweitet (Rz. 63).

 

Rz. 58a

Die Verwaltung hat sich in ihrem sog. III. Rentenerlass dieser Auffassung dem Grunde nach angeschlossen, verwendet aber nach wie vor den Begriff der existenzsichernden Wirtschaftseinheit.[2] Dieser Begrifflichkeit wird hier gefolgt.

 

Rz. 58b

Die Regelungen des BMF v. 16.9.2004, IV C 3 – S 2255 – 354/04, BStBl I 2004, 922 (ersetzt m. W. ab 1.1.2008 durch BMF v. 11.3.2010, IV C 3 – S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227) sind grundsätzlich in allen offenen Fällen anzuwenden. Daneben gibt es einzelne Wahlmöglichkeiten, die Regelungen in BMF v. 26.8.2002, BStBl I 2002, 903 weiter anzuwenden, wenn das Vermögen aufgrund eines vor dem 1.11.2004 abgeschlossenen obligatorischen Vertrags übertragen worden ist.[3]

2.4.3.1 Existenzsichernde Wirtschaftseinheit

 

Rz. 59

Nach früherer Auffassung war Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze über die steuerlich privilegierte private Versorgungsleistung die Übertragung einer Ertrag bringenden Wirtschaftseinheit, die bereits vom Übergeber bewirtschaftet worden war und durch ihre Erträge zumindest teilweise seine Existenz sicherte, zur Weiterführung durch den Übernehmer. Ein solcher Vertragstypus musste sich am Typus der Hof- oder Betriebsübergabe orientieren, deren wesentliche Merkmale darin bestehen, Vermögen zu übertragen, das geeignet und bestimmt ist, als generationsübergreifende Anlage die Existenzsicherung des Übergebers weiterhin zu erbringen, sodass die Lebensverhältnisse von Übergeber und Übernehmer in besonderer Weise miteinander verknüpft sind. Als weiteres Merkmal wird das persönliche Bewirtschaften des übergebenen Vermögens verlangt, das einen Einsatz an Zeit und persönlicher Arbeitsleistung erfordert, die bei Erreichen einer selbst gewählten Altersgrenze nicht mehr erbracht werden kann (soll) und nun vom Übernehmer erbracht werden muss.[1]

 

Rz. 60

Wirtschaftseinheiten sind danach Betriebe, Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile, Anteile an Kapitalgesellschaften, Geschäfts- oder Mietwohngrundstücke, vermietete Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sowie verpachtete unbebaute Grundstücke. An dieser Auffassung hat sich durch die Beschlüsse des Großen Senats v. 12.5.2003 nichts geändert.

 

Rz. 61

Keine existenzsichernde Wirtschaftseinheiten waren früher ertraglose Wirtschaftsgüter, wie Hausrat, Wertgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungen, unbebaute Grundstücke und Grundstücke mit aufstehendem Rohbau, selbst genutzte Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, da sie die Versorgung nicht sichern können und weder vom Übergeber bewirtschaftet worden sind noch vom Erwerber bewirtschaftet werden können.[2] Ebenfalls nicht existenzsichernd waren Wertpapiere, typisch stille Beteiligungen sowie die Übergabe eines selbst größeren Geldvermögens.

 

Rz. 61a

Wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Geldvermögen sind immer als Zuwendungen i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG angesehen worden.[3]

 

Rz. 62

Nicht existenzsichernd ist die Übertragung von Vermögen, dessen gesamte Erträge der Übergeber sich mittels eines Nießbrauchs vorbehält, sog. Totalnießbrauch. In diesen Fällen werden die Erträge dem Übergeber originär zugerechnet, sodass das Institut der "vorbehaltenen Erträge" nicht gegeben ist.[4] Eine Ausnahme lässt die Verwaltung für den Sicherungsnießbrauch zu, wenn dessen Ausübung nach § 1059 BGB dem Übernehmer überlassen wird. Wird der Nießbrauch später gegen wiederkehrende Leistungen abgelöst, können diese Versorgungsleistungen sein.[5]

 

Rz. 63

BFH v. 12.5.2003, GrS 1/00, BStBl II 2004, 95 unter Hinweis auf BFH v. 10.11.1999, X R 46/97, BStBl II 2000, 188 hat die Art der Wirtschaftsgüter, die Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorg...

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