Rz. 339

§ 20 Abs. 4a S. 5 EStG enthält eine Sonderregel für Fälle, in denen einem Stpfl. Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zugeteilt werden, ohne dass dieser hierfür eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat. Zu denken ist etwa an die Zuteilung von Bonusaktien, die von einer AG oder einem Dritten ohne zusätzliches Entgelt an die Aktionäre ausgegeben werden und die nicht aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stammen. Werden einem Stpfl. Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zugeteilt, ohne dass dieser hierfür eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, führt dies im Grundsatz zu einem steuerbaren Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Mit Blick auf Freianteile gilt jedoch ein anderes, wenn diese aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stammen. Eine Steuerpflicht besteht dann nicht, wie sich aus § 1 KapErhStG ergibt.[1] Die Frage, ob die Zuteilung von Anteilen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ohne Gegenleistung eine Besteuerung auslöst oder nach dem vorstehend Gesagten steuerneutral zu behandeln ist, kann von den Kreditinstituten häufig nur schwer beantwortet werden. Weiterhin kommt es in den beschriebenen Fällen nicht zur Zahlung eines Geldbetrags. Die Kreditinstitute sind daher gezwungen, die zugeteilten Anteile zu bewerten, auf dieser Grundlage die KapESt zu ermitteln und diese beim Stpfl. anzufordern. § 20 Abs. 4a S. 5 EStG soll diese Probleme vermeiden, indem er unter bestimmten Voraussetzungen eine steuerneutrale Behandlung des Vorgangs anordnet.[2] Eine Besteuerung erfolgt erst bei einer späteren Weiterveräußerung der zugeteilten Anteile. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven steuerverstrickt.

 

Rz. 340

Eine steuerneutrale Behandlung ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG erfüllt sind. Insofern müssen einem Stpfl. zunächst Anteile i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zugeteilt werden, ohne dass dieser hierfür eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat. § 20 Abs. 4a S. 5 EStG erfasst vor allem die Zuteilung von Anteilen an Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Unter die Vorschriften fallen aber auch eigenkapitalähnliche Genussrechte, ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Weiterhin dürfen für eine Anwendung des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 3 u. 4 EStG nicht vorliegen. Die Zuteilung der Anteile darf also nicht darauf beruhen, dass der Stpfl. ein entsprechendes Gestaltungsrecht bei einer sonstigen Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ausgeübt hat. Auch darf es sich nicht um den Fall einer Zuteilung von Bezugsrechten i. S. d. § 20 Abs. 4a S. 4 EStG handeln. Schließlich muss es für das Kreditinstitut unmöglich sein, den Kapitalertrag i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu ermitteln, also die zugeteilten Anteile zu bewerten. Ob es sich hierbei um einen Fall der subjektiven oder objektiven Unmöglichkeit handelt, ist derzeit ungeklärt.[3] Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist bei inländischen Sachverhalten i. d. R. davon auszugehen, dass sich die Erträge durch entsprechende Angaben des Emittenten ermitteln lassen.[4] Dagegen ist bei ausl. Sachverhalten nach Verwaltungsansicht i. d. R. davon auszugehen, dass eine Ermittlung des Kapitalertrags nicht möglich ist.[5] Dies soll jedoch dann anders sein, wenn dem Anleger nach dem ausl. Recht ein Wahlrecht zwischen Dividende und Freianteilen zusteht. In diesem Fall soll das Kreditinstitut die Höhe der Kapitalerträge ermitteln können.[6]

 

Rz. 341

Liegen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG vor, wird der Vorgang zwingend steuerneutral behandelt. Ohne die Vorschrift des § 20 Abs. 4a S. 5 EStG würde die Zuteilung von Anteilen i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG, ohne dass der Stpfl. hierfür eine gesonderte Gegenleistung zu entrichten hat, regelmäßig eine Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auslösen, sofern keine Sonderregel im Einzelfall eine steuerneutrale Behandlung gestattet. § 20 Abs. 4a S. 5 EStG schließt eine Besteuerung dagegen aus, indem er anordnet, dass der Ertrag der zugeteilten Anteile mit "Null" EUR angesetzt wird. Anders als § 20 Abs. 4a S. 1 EStG bestimmt § 20 Abs. 4a S. 5 EStG damit nicht, dass ein steuerbarer Tatbestand nicht verwirklicht ist. Vielmehr fingiert die Vorschrift lediglich eine Bemessungsgrundlage von "Null" EUR und erreicht auf diese Weise eine steuerneutrale Behandlung des Vorgangs. Eine Besteuerung erfolgt erst, wenn die zugeteilten Anteile zu einem späteren Zeitpunkt weiterveräußert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven steuerverstrickt.

 
Praxis-Beispiel

Gewährung von Anteilen ohne gesonderte Gegenleistung[7]

Anleger A ist an der B-S.A. beteiligt, die Sitz und Geschäftsleitung in Bukarest hat. Die Beteiligung hält A im Depot bei der K-Bank in München. Am 1.1.2012 erhält A auf Veranlassung der B-S.A. Anteile an der C-S.A., deren Sitz und...

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