Rz. 81

Eine architektenähnliche Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn sie in ihren wesentlichen Elementen dem Beruf des Architekten in Theorie (Ausbildung, Kenntnisse, Qualifikation) und Praxis (berufliche Tätigkeit) gleichwertig ist.[1] Die Tätigkeit eines vereidigten Bauschätzers kann mit der eines Architekten vergleichbar sein, denn zu den wesentlichen und typischen Tätigkeiten des Architekten gehört neben der Bauplanung auch die Schätzung der Baukosten.[2] Eine Bauleitertätigkeit ist allein nicht architektenähnlich, es sei denn, der Stpfl. war zuvor auch mit der gutachterlichen, technischen und wirtschaftlichen Planung von Bauwerken befasst.[3] Die Tätigkeit eines Gartenarchitekten ist der eines Architekten ähnlich, soweit sie in der Anfertigung von Plänen und Entwürfen zur Ausgestaltung von Gärten besteht. Die Ausführung der Gartengestaltung ist dagegen gewerbliche Betätigung.[4] Ein Diplom-Designer, der nicht über Kenntnisse in der Innenarchitektur verfügt, die der Breite und Tiefe nach den Kenntnissen eines ausgebildeten Innenarchitekten vergleichbar sind, übt keine architektenähnliche Tätigkeit aus.[5]

Ein ingenieurähnlicher Beruf muss dem Beruf des Ingenieurs sowohl hinsichtlich der erforderlichen Berufsausbildung als auch hinsichtlich der tatsächlich entfalteten Tätigkeit im Wesentlichen gleichen.[6] Das Hochschulstudium kann dabei durch die Teilnahme an Kursen oder Selbststudium ersetzt und die theoretischen Kenntnisse durch eigene praktische Arbeit oder durch eine sog. Wissensprüfung belegt werden.[7] Die konkret ausgeübte Tätigkeit muss weder ein "konstruierendes" Element enthalten[8] noch das volle Tätigkeitsspektrum einer Ingenieurstätigkeit abdecken.[9] Auch die beratende Tätigkeit wird umfasst, soweit diese nicht auf eine bloße Absatzförderung gerichtet ist.[10] Ob ein selbstständiger EDV-Berater eine ingenieurähnliche Tätigkeit ausübt, war lange umstritten.[11] Die Rspr. des IV. Senats des BFH unterschied früher danach, ob Systemsoftware oder Anwendersoftware entwickelt wird. Nur im ersten Fall sollte eine freiberufliche (ingenieurähnliche) Tätigkeit vorliegen.[12] Diese Unterscheidung wurde wegen des heutigen Stands der IT-Technologie zunehmend in Zweifel gezogen, denn inzwischen ist auch Betriebssoftware (Systemsoftware) weitgehend standardisiert. Andererseits wird auch Anwendersoftware zunehmend von Ingenieuren entwickelt, deshalb sollte die ingenieurmäßige Betätigung entscheidendes Abgrenzungskriterium sein. Dieser Tendenz der FG[13] hat sich der XI. Senat des BFH angeschlossen.[14] Dies gelte allerdings nicht für die Entwicklung von "Trivialsoftware"[15], sondern setze voraus, dass qualifizierte Software durch eine klassische ingenieurmäßige Vorgehensweise entwickelt werde. Gerade in diesem Berufsfeld sind häufig Autodidakten anzutreffen. Auch deren Kenntnisse müssen in Tiefe und Breite denen eines an einer Fachhochschule diplomierten Informatikers oder Wirtschaftsinformatikers entsprechen.[16] Die Rspr. ordnet inzwischen auch die Einrichtung und Betreuung von Datenübertragungssystemen dem Bereich einer ingenieurähnlichen Tätigkeit zu. Damit können auch Administratorentätigkeiten, die Betreuung, individuelle Anpassung und Überwachung von Betriebssystemen sowie die Tätigkeit als leitender Manager großer IT-Projekte als freiberuflich zu qualifizieren sein.[17] Ein im EDV-Sektor selbstständig tätiger Stpfl. muss aber ein in Breite und Tiefe dem Diplom-Informatiker vergleichbares Wissen nachweisen. Vertiefte Kenntnisse nur auf einem Teilgebiet des Fachstudiums reichen nicht aus.[18]

Die Tätigkeit eines Kartografen besteht darin, die durch Vermessung und geografische Forschung gewonnenen Kenntnisse über die Erdoberfläche sowie andere Ergebnisse der Wissenschaft und Statistik anhand ausgearbeiteter Vorlagen in einem Kartenbild darzustellen. Diese Tätigkeit kann der eines Vermessungsingenieurs ähnlich sein, dessen Aufgabe es ist, auf der Grundlage geografischer und physikalisch-mathematischer Kenntnisse die Erdoberfläche zu vermessen.[19]

Kompasskompensierer haben die Aufgabe, die durch die Eisenmassen eines Schiffs hervorgerufenen Abweichungen des Schiffskompasses durch Magnete möglichst zu beseitigen und die verbliebenen Restablenkungen zu ermitteln. Diese Tätigkeit ist der eines Ingenieurs ähnlich.[20] Anders verhält es sich bei einem Schiffssachverständigen, der überwiegend reine Schadensgutachten erstellt[21], oder einem Flugingenieur, der als Copilot eingesetzt wird.[22]

Die Tätigkeit eines Patentberichterstatters (Rechercheur in Patentsachen) kann der eines Ingenieurs ähnlich sein, wenn sie auf der Grundlage eines erheblichen Maßes an technisch-wissenschaftlichen Kenntnissen erfolgt, die mit denen eines Ingenieurs vergleichbar sind. Fehlt es an solchen Kenntnissen, liegt eine gewerbliche Betätigung vor.[23] Das gilt auch für einen technischen Redakteur[24] oder einen Auditor[25], der im Rahmen eines genau vorgegebenen standardisierten Verfahrens überprüft, ob die Anfor...

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