Rz. 89

Die Betriebsaufgabe ist eine zielgerichtete (finale) und damit bewusste und gewollte Handlung des Unternehmers. Eine ungewollte, "versehentliche" Betriebsaufgabe ist grundsätzlich nicht denkbar (zu Ausnahmefällen Rz. 71a), wohl aber eine zwangsweise. Die Rspr. fordert deshalb in solchen Fällen, bei denen aus den objektiven Umständen nicht mit Sicherheit auf den Aufgabewillen geschlossen werden kann, eine Aufgabeerklärung. Dies betrifft jedoch nur die Fälle, in denen der Stpfl. ein (echtes) Wahlrecht (zu Zweifeln Rz. 93) hat, also im Wesentlichen bei der Betriebsverpachtung und im Falle eines Strukturwandels (Rz. 135, 145)[1]. Die Erklärung, den Betrieb aufgeben zu wollen, muss in diesen Fällen eindeutig und klar sein[2]. Es genügt nicht, dass die Einkünfte in der Steuererklärung als solche aus Vermietung und Verpachtung deklariert werden[3]; genauso wenig reicht der Hinweis des Stpfl. aus, er könne aus Altersgründen keine Bücher mehr führen und keine Erklärung mehr abgeben[4]. Auch die Gewerbeabmeldung oder die langfristige Vermietung wesentlicher Betriebsgrundlagen allein genügt hierfür nicht[5].

 

Rz. 90

Die Erklärung muss der Stpfl. gegenüber dem zuständigen FA abgeben[6]. Die Äußerung des Stpfl. muss erkennbar von dem Bewusstsein getragen sein, dass es als Folge dieser Erklärung zur Versteuerung der stillen Reserven kommt[7]. Die Abgabe oder Nichtabgabe einer solchen Erklärung ist für das Vorliegen einer Betriebsaufgabe entscheidend, solange sich nicht aus den tatsächlichen Verhältnissen ergibt, dass der Betrieb nicht nur vorübergehend, sondern endgültig aufgegeben ist[8].

Entfallen indes die Voraussetzungen des Wahlrechts dadurch, dass die Wiederaufnahme des Betriebs unmöglich wird, kommt es zur Zwangsbetriebsaufgabe (Rz. 94).

 

Rz. 91

In Fällen, in denen der Stpfl. kein echtes Wahlrecht (Befugnis, aufgrund eines bestimmten feststehenden Sachverhalts die Rechtsfolge i. S. eines Gestaltungsrechts durch bloße Erklärung herbeizuführen) hat, sondern lediglich unklar ist, ob die erkennbaren objektiven Beweisanzeichen i. S. eines Betriebsaufgabewillens zu werten sind, kann die Betriebsaufgabe auch konkludent erklärt werden; dies gilt, wenn die Umstände, aus denen auf die Erklärung der Aufgabe geschlossen werden soll, eindeutig genug sind. Die Erklärung ist hier nur ein Indiz für die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen der Betriebsaufgabe. Das vom BFH[9] angesprochene Recht, zwischen einer begünstigten zeitnahen Betriebsaufgabe und einer allmählichen Betriebsabwicklung wählen zu können, ist kein Wahlrecht, sondern eine Sachverhaltsgestaltung. Da einer Erklärung hier nur indizielle Bedeutung zukommt, muss sie nicht dem FA gegenüber abgegeben werden, es genügt, wenn sie objektivierbar ist.

Auch ohne eine ausdrückliche Aufgabeerklärung ist deshalb eine Betriebsaufgabe anzunehmen, wenn der Stpfl. durch sein Verhalten die Absicht erkennen lässt, den Betrieb einzustellen und als Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen[10]. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Betrieb eingestellt ist und alle wesentlichen Betriebsgrundlagen bis auf das Betriebsgrundstück verwertet sind (Rz. 77)[11].

 

Rz. 92

Bei Personenhandelsgesellschaften verfährt die Rspr. in diesen Fällen z. T. großzügig. Stellt eine OHG etwa den eigentlichen gewerblichen Teil ihrer Betätigung ein und führt sie in den Folgejahren nur noch den vermögensverwaltenden Teil ihrer Tätigkeit fort, so liegt keine Betriebsaufgabe vor, wenn Gesellschafter der OHG erklären, sie beabsichtigen alsbald wieder gewerblich tätig zu sein; auch der reine Zeitablauf mehrerer Jahre ändert hieran grundsätzlich nichts[12].

Andererseits ist es nicht möglich, durch die Nichtabgabe einer Aufgabeerklärung oder die einfache Erklärung, die gewerbliche Tätigkeit wieder aufnehmen zu wollen, die Versteuerung der stillen Reserven eines tatsächlich eingestellten Betriebs zu verhindern, wenn die Erklärung im Widerspruch zu den tatsächlichen Gegebenheiten steht, so z. B., wenn objektiv die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Betriebs[13] für den Inhaber oder dessen Rechtsnachfolger nicht mehr besteht oder einen zeitlich überschaubaren Rahmen sprengt ("mehrere Generationen", Rz. 70).

 

Rz. 93

Wenn die Rspr. dem Stpfl. im Fall einer Betriebsverpachtung oder unentgeltlichen Betriebsüberlassung das Recht zugesteht, zwischen einer Betriebsunterbrechung und einer endgültigen Betriebseinstellung zu wählen (Rz. 145), so ist es zweifelhaft, ob es sich hierbei um ein "Wahlrecht" im eigentlichen Sinne handelt, wie von der Rspr. angenommen wird[14]. Zum einen dürfte in Anbetracht des Steuerrechts als striktem Recht die Einräumung eines "Wahlrechts" durch Richterspruch außerhalb der Grenzen einer zulässigen Rechtsauslegung oder -fortbildung durch Richterrecht liegen; zum anderen ist die von der Rspr. gezogene Folgerung nichts anderes als die Konsequenz daraus, dass die Handlung des Stpfl. – Verpachtung oder unentgeltliche Überlassung des Betriebs an einen Dritten – für die Frage der Betriebsaufgab...

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