Rz. 263

Dass eine Gesellschaft nicht ohne einen (ggf. übereinstimmend konkludenten) Vertragsabschluss entstehen kann,[1] ist eine triviale Erkenntnis. Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags kann jedoch i. d. S. misslingen, dass der Gesellschaftsvertrag nach allgemeinen zivilrechtlichen Kriterien mangelhaft, anfechtbar oder nichtig ist (z. B. weil für den Gesellschaftsvertragsabschluss mit einem Minderjährigen die nach § 107 BGB erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters gefehlt hat). Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen wäre ein solcher Vertrag unwirksam und damit keine Gesellschaft entstanden. Da jedoch die meisten Gesellschaften (insb. GbR, OHG und KG) partiell rechtsfähig sind, mitunter eigene Rechte erwerben oder klagen und verklagt werden können, ergibt sich ein Verkehrsschutzbedürfnis für bereits im Namen der Gesellschaft getätigte Transaktionen, die ansonsten allesamt nichtig wären.[2] Sobald diese mängelbehaftete Gesellschaft also in Vollzug gesetzt wird (indem sie z. B. Gesellschaftsvermögen bildet oder nach außen hin tätig wird), führen Anfechtung und Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags nur noch zur Auflösung und Abwicklung, nicht mehr zur rückwirkenden Vernichtung dieser sog. "faktischen" bzw. besser "fehlerhaften" Gesellschaft.[3] Dies gilt nicht nur für Personenhandelsgesellschaften (OHG und KG), sondern auch für alle anderen Personengesellschaften einschl. der Innengesellschaften.[4]

 

Rz. 264

Eine faktische – i. S. v. fehlerhafte – Gesellschaft ist auch für den Bereich des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG als Mitunternehmerschaft anzuerkennen, solange sie die erforderlichen Kriterien erfüllt und besteht oder abgewickelt wird.[5] Rechtsgrundlage hierfür ist § 41 Abs. 1 AO, wonach auch eine zivilrechtlich unwirksame Vereinbarung steuerlich Bestand hat, solange sie von den Beteiligten tatsächlich durchgeführt bzw. aufrechterhalten wird.[6]

Mitunter wird der Begriff "faktische Gesellschaft" jedoch auch für Erscheinungsformen verwendet, bei denen das "Zusammenwirken" mehrerer Personen tatsächlich ohne einen wirklichen Willen hierzu – quasi durch zufälliges Zusammentreffen mit mehreren Handlungen ohne gemeinsame Zielgerichtetheit – stattfindet. Auf solche Fälle ist § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG hingegen nicht anwendbar. Der Begriff des Mitunternehmers enthält das Erfordernis des gemeinschaftlichen Handelns zu einem gemeinsamen Zweck von einander gleichgeordneten Personen, setzt also ein irgendwie geartetes, verbindliches und damit willentliches Zweckbündnis voraus.[7] Dem genügen rein tatsächliche Zusammenschlüsse von Personen regelmäßig ebenso wenig wie z. B. die Mitwirkung des Lebenspartners an strafbaren betrieblichen Handlungen des Geschäftsinhabers.[8] Die Zufälligkeit muss sich m. E. aber auf das gemeinschaftlich zusammentreffende Handeln und auf den von allen Personen verfolgten Zweck beziehen, um eine Mitunternehmerschaft auszuschließen. Treffen sich z. B. mehrere Händler zufällig auf einem Wochenmarkt und verabreden sich spontan zu einer gemeinsamen Vermarktung ihrer Produkte, so liegt ab diesem Moment ein gleichgerichteter Wille und ein gemeinschaftlich zu erreichender Zweck vor, der auch die grundsätzlichen Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft erfüllen würde.

[1] Hueck, Gesellschaftsrecht, 23; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, 75; BGH v. 28.11.1953, II ZR 188/52, BGHZ 11, 190.
[2] Zur Dogmatik eingehend Westermann, in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 2021, § 8 Rn. 213ff.
[4] Schmidt, K., Gesellschaftsrecht, 2002, 144ff.

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