Rz. 142

Unter einer vorweggenommenen Erbfolge[1] (§ 6 EStG Rz. 184ff.) sind Vermögensübertragungen unter Lebenden im Hinblick auf die zukünftige Erbfolge zu verstehen. Nach dem Willen der Beteiligten soll der Übernehmer im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zumindest teilweise eine unentgeltliche Zuwendung erhalten. Im Gegensatz zum Vermögensübergang durch vorweggenommene Erbfolge ist ein Vermögensübergang durch ein voll entgeltliches Geschäft anzunehmen, wenn die Werte von Leistung und Gegenleistung wie unter fremden Dritten nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Trotz objektiver Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung kann ein voll entgeltliches Geschäft auch dann vorliegen, wenn die Beteiligten subjektiv von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ausgegangen sind.[2]

 

Rz. 143

Unentgeltlich ist – neben der Übertragung ohne Gegenleistung – die Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils auf Angehörige gegen Versorgungsleistungen i. S. d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG[3] oder unter Vorbehalt des Nießbrauchs[4] bzw. sonstiger Nutzungsrechte. Die genannten Leistungen führen zu keinem Veräußerungsentgelt des Übergebers und zu keinen Anschaffungskosten des Übernehmers. Veräußerungsentgelte und Anschaffungskosten liegen allerdings vor, soweit die wiederkehrenden Leistungen nicht die Voraussetzungen für Versorgungsleistungen i. S. d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG erfüllen.

 

Rz. 144

Entgeltlichkeit liegt vor, soweit der Übernehmer Ausgleichs- oder Abstandszahlungen erbringt.

 

Rz. 145

Gleiches kann in Betracht kommen bei der Übernahme von Verbindlichkeiten. Im Zusammenhang mit der Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen übernommene private Verbindlichkeiten des Übergebers sind Veräußerungsentgelte und Anschaffungskosten.[5] Die Verbindlichkeiten sind, soweit sich aus ihrer Übernahme Anschaffungskosten ergeben, als betriebliche Schulden zu passivieren. Gleiches gilt für die Übernahme betrieblicher Verbindlichkeiten, wenn sie im Zusammenhang mit der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens stehen.[6] Bei der Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils sind die übernommenen Verbindlichkeiten des übertragenen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils allerdings kein Veräußerungsentgelt und damit auch keine Anschaffungskosten mit der Folge, dass der Übernehmer hinsichtlich der übernommenen positiven und negativen Wirtschaftsgüter die Buchwerte fortführen muss.[7] Dies gilt auch bei der Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils mit einem negativen Kapitalkonto.[8] Entgeltlichkeit liegt nur vor, wenn neben der Übernahme des negativen Kapitalkontos noch Gleichstellungs- oder Abstandszahlungen zu leisten oder private Verbindlichkeiten zu übernehmen sind.[9] Das Veräußerungsentgelt setzt sich in diesem Fall – entsprechendes gilt auch hinsichtlich der Anschaffungskosten – zusammen aus dem übertragenen negativen Kapitalkonto und den zusätzlich gewährten Leistungen.

 

Rz. 146

Aufschiebend bedingte oder befristete Leistungsverpflichtungen des Übernehmers führen erst bei Eintritt des Ereignisses, von dem die Leistungspflicht abhängt, zu Veräußerungsentgelten und Anschaffungskosten. Der Umfang des entgeltlichen Erwerbs bestimmt sich dabei nach dem Verhältnis seines Verkehrswerts zur Höhe der Leistungsverpflichtung im Zeitpunkt ihrer Entstehung.[10]

Rz. 147 einstweilen frei

 

Rz. 148

Die aufgezeigten Entgelte führen nach den Grundsätzen der Einheitstheorie[11] zu einer unentgeltlichen Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG, wenn sie das Kapitalkonto des entsprechenden Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nicht übersteigen.[12] Gleiches gilt in den Fällen, in denen sie dem Kapitalkonto entsprechen. Veräußerungsverluste entstehen beim Übergeber nicht. Führen die vom Vermögensübernehmer zu erbringenden Leistungen bei Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils zu einem Veräußerungspreis, der über dem steuerlichen Kapitalkonto des Übergebers liegt, ist von einem entgeltlichen Erwerb des Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils auszugehen. Der Übergeber erzielt einen begünstigten Veräußerungsgewinn i. S. d. §§ 14, 16 EStG. Der Vermögensübernehmer hat entsprechende Anschaffungskosten.[13]

 

Rz. 149

Die ertragsteuerlichen Grundsätze zur vorweggenommenen Erbfolge bei der Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen gelten nicht bei der Übertragung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben i. S. d. höferechtlichen Bestimmungen.[14] Anzuwenden sind insoweit die ertragsteuerlichen Grundsätze zur Erbauseinandersetzung (Rz. 150ff.).[15] Dies hat zur Fol...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge