6.1.1 Rechtslage vor dem Änderungsgesetz v. 25.7.1984

 

Rz. 128

§ 12 Nr. 4 EStG wurde durch das Gesetz zur Änderung des EStG und des KStG v. 25.7.1984 (sog. Geldbußengesetz)[1] an die vorangegangenen Regelungen des § 12 EStG angefügt und gilt seither unverändert. Bis dahin galten im Wesentlichen folgende Grundsätze: Geldstrafen und Geldbußen waren weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abziehbar. Dies galt auch dann, wenn eine enge Verknüpfung mit betrieblichen oder beruflichen Vorgängen gegeben war oder wenn die Tat im Betrieb oder bei der Berufsausübung begangen wurde.[2] Bis zum Jahr 1939 hatte der RFH allerdings Geldstrafen und Geldbußen für Verstöße gegen Ordnungswidrigkeiten und besondere Betriebsvorschriften, nicht dagegen Geldstrafen wegen krimineller Delikte, zum Abzug zugelassen.[3] Während zunächst der Gedanke im Vordergrund stand, Geldstrafen und Geldbußen fielen in den privaten Bereich des Täters, ging der BFH später mehr von der Erwägung aus, dass die Rechtsordnung eine Einheit bilde und es daher nicht vertretbar sei, Geldstrafen und Geldbußen dadurch zu mildern oder aufzuheben, dass ihre Entrichtung zu einer Steuersenkung führe; es könne nicht rechtens sein, Geldstrafen über das Steuerrecht z. T. auf die Allgemeinheit abzuwälzen.[4]

 

Rz. 129

Die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren behandelte der BFH zunächst je nachdem unterschiedlich, ob das Verfahren zu einer Verurteilung oder zu einem Freispruch geführt hat. Bei einer Verurteilung wurden die Aufwendungen grundsätzlich der Lebensführung zugerechnet.[5] Bei einem Freispruch wurden die Strafverfahrenskosten nicht als durch Handlungen verursacht angesehen, die der Lebensführung zuzurechnen waren. Der Verdacht beruhte vielmehr hiervon ausgehend in diesen Fällen auf der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit des Stpfl. mit der Folge, dass Betriebsausgaben oder Werbungskosten angenommen wurden.[6] Bei teilweiser Verurteilung und teilweisem Freispruch war eine, ggf. im Schätzungsweg vorzunehmende, Aufteilung der Kosten geboten.[7]

 

Rz. 130

Die BFH-Entscheidung v. 19.2.1982[8] brachte eine Änderung der Rspr. dahin gehend, dass Strafverteidigungskosten auch im Fall einer Verurteilung zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugelassen wurden, sofern der strafrechtliche Schuldvorwurf, gegen den sich der Stpfl. zur Wehr setzte, durch sein berufliches Verhalten veranlasst war.

6.1.2 Beschlüsse des Großen Senats des BFH

 

Rz. 131

Nach Ergehen der Beschlüsse des Großen Senats des BFH v. 21.11.1983, GrS 2/82[1] sind die Grundsätze der vorgenannten Urteile z. T. überholt. Der Große Senat des BFH vertrat unter Berufung auf das der Einkommensbesteuerung zugrunde liegende Nettoprinzip (Rz. 7ff.) die Auffassung, Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten seien allgemein als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, wenn sie durch den Betrieb oder Beruf veranlasst sind, d. h. wenn sie objektiv mit dem Betrieb oder Beruf zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb oder Beruf zu dienen bestimmt sind, wie dies z. B. bei einer Geldbuße wegen unzulässiger Preisempfehlung der Fall ist. Gleiches gelte für eine Geldstrafe gem. § 890 ZPO a. F. (nunmehr Ordnungsgeld), die einer Geldbuße vergleichbar sei. Der BFH ist damit zur Rspr. des RFH vor 1939 zurückgekehrt (Rz. 128). Die Beschlüsse des Großen Senats stellen eine Fortführung der Grundsätze zur Abziehbarkeit von Unfallkosten dar, die durch bewusste und leichtfertige Verletzung von (mit Strafe oder Geldbuße bewehrten) Verkehrsvorschriften verursacht sind.[2]

 

Rz. 132

Hinsichtlich der Abziehbarkeit von Strafverteidigerkosten teilte der Große Senat die Auffassung des VI. Senats des BFH[3] (Rz. 273), wonach Strafverteidigungskosten ohne Rücksicht auf eine Verurteilung Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten darstellen, wenn die dem Strafverfahren zugrunde liegende Tat in Ausübung der betrieblichen bzw. beruflichen Tätigkeit begangen worden ist. Dem ist zuzustimmen.[4] Dies gilt in gleicher Weise für den Abzug der Gerichtskosten als Abgabe für die Inanspruchnahme des Gerichts, die mit Geldstrafen oder Geldbußen ohnehin nicht gleichgestellt werden können.

 

Rz. 133

Die Beschlüsse des Großen Senats befassten sich nicht mit der steuerlichen Behandlung von Geldstrafen. Soweit der BFH[5] eine Geldstrafe nach § 890 ZPO a. F. wegen Zuwiderhandlung gegen ein durch eine einstweilige Verfügung angeordnetes Verbot zum Gegenstand hatte – jetzt Ordnungsgeld nach § 890 ZPO –, sah der BFH diese Geldstrafe nicht als Strafe für kriminelles Unrecht an, sondern betonte, es hand...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge