Rz. 92

Bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge (Vermögensübergabe) geht die Rspr. seit jeher davon aus, dass es sich nicht um ein entgeltliches Rechtsgeschäft, sondern um einen – spezifisch steuerrechtlich – unentgeltlichen Rechtsvorgang handelt[1], der nicht dem Anwendungsbereich des § 12 Nr. 2 EStG unterfällt. Das Gleiche gilt, wenn die Versorgungsleistungen auf einer letztwilligen Verfügung beruhen, wenn der Empfänger der Versorgungsbezüge zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehört.[2] Die Zusage von Versorgungsleistungen durch den Vermögensübernehmer an den Übergeber wird – unabhängig von einer bürgerlich-rechtlichen Einordnung als Auflagenschenkung – nicht als Gegenleistung für das übertragene Vermögen angesehen, selbst wenn die zugesagten Versorgungsleistungen aus der Sicht des Verpflichteten wirtschaftlich durch den Erwerb des übertragenen Vermögens veranlasst sind. Somit liegen weder ein Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers vor. Gleichwohl handelt es sich bei der Vereinbarung wiederkehrender Leistungen nicht um eine – den Sonderausgabenabzug ausschließende – Zuwendung i. S. v. § 12 Nr. 2 EStG.[3] Die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen stellt vielmehr ein besonderes – bis Vz 2007 nicht geregeltes – Rechtsinstitut dar, das – trotz Unentgeltlichkeit – vom Anwendungsbereich des § 12 Nr. 2 EStG ausgenommen ist.[4] Mit Wirkung ab dem Vz 2008 wurde die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen durch das JStG 2008[5] erstmals in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geregelt und ihr bisheriger Anwendungsbereich eingeengt, da das Rechtsinstitut nach seinem klaren Wortlaut nur noch eingreift, wenn Vermögensgegenstände i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG übergeben werden. In allen anderen Fällen der Vermögensübergabe gegen wiederkehrende Leistungen sind die allg. Grundsätze anzuwenden, wobei allerdings noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für Versorgungsleistungen ohne gleichzeitige Übertragung von Vermögen i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i. d. F. des JStG 2008 ein unentgeltlicher oder (teil-)entgeltlicher Vorgang anzunehmen ist.

Die Zuordnung der wiederkehrenden Leistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen (private Versorgungsrente) beruht auf der Vorstellung, dass sich der Vermögensübergeber im Vermögensübergabevertrag in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge vorbehält, die nunmehr vom Übernehmer erwirtschaftet werden müssen. Durch die Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge stellen die Versorgungsleistungen keine Unterhaltsleistungen und keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers i. S. v. § 12 Nr. 2 EStG dar.[6] Die wiederkehrenden Leistungen sind daher, wenn sie abänderbar sind, beim Verpflichteten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG grundsätzlich in voller Höhe als dauernde Last oder – ausnahmsweise bei Vorliegen einer Leibrente – in Höhe des Ertragsanteils (§ 22 Nr. 1 S. 3a EStG) abziehbar. Beim Empfänger liegen stpfl. Bezüge gem. § 22 Nr. 1 EStG vor.[7]

 

Rz. 93

Die Rspr. geht von der grundsätzlichen Zweiteilung aus: Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen einerseits und wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung andererseits. Lässt sich eine Vereinbarung nicht dem Typus "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" zuordnen, scheidet ein Abzug vereinbarter Renten oder dauernder Lasten als Sonderausgaben i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG aus. Nur wiederkehrende Leistungen, die dem Typus Vermögensübergabe entsprechen, sind weder Veräußerungsentgelt/Anschaffungskosten noch unterliegen sie als Unterhaltsleistungen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG. Vorgänge, die dem Typus nicht entsprechen, sind als entgeltliche oder teilentgeltliche Rechtsgeschäfte nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. Nur ausnahmsweise kommen Unterhaltsleistungen als dritte Kategorie in Betracht (Rz. 93).[8] Eine weitere Kategorie neben Versorgungsleistungen, Veräußerungsleistungen und Unterhaltsleistungen ist nicht anzuerkennen.[9]

 

Rz. 93a

§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG wurde aufgehoben mit Wirkung ab Vz. 2015 und neu in § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG geregelt.[10]

[1] Grundsatzentscheidung in BFH v. 16.9.1965, IV 67/61 S, BStBl III 1965, 706; Fischer, FR 1992, 765.
[3] Krit. Biergans, StuW 1991, 381; Paus, FR 1992, 33, DStZ 1993, 335; Drenseck, StbJb 93/94, 187.
[4] Loschelder, in Schmidt, EStG, 2022, § 12 EStG Rz. 34.
[5] Gesetz v. 20.12.2007, BGBl I 2007, 3150.

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