OFD München, 4.10.2001, S 2405 - 8 St 422

Listenauswertung

Im Rahmen der Auswertung einer vom Technischen FA Nürnberg maschinell erstellten Arbeitsliste, in der sämtliche derzeit gültigen Freistellungsbescheinigungen nach § 44a Abs. 5 EStG aufgeführt sind, wurde festgestellt, dass bei einem Großteil der Bescheinigungen die gesetzlich vorgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind und die Inhaber dieser Bescheinigungen durch die Möglichkeit der Abstandnahme von der Einbehaltung des Zinsabschlags in den Genuss von ungerechtfertigten Liquiditätsvorteilen gelangen.

Die Auswertung der Arbeitsliste ergab, dass z.B. auch Kirchengemeinden, Familienstiftungen, Genossenschaften, Gemeinden, Zweckverbänden, (gemeinnützigen) Vereinen und sogar natürlichen Personen Freistellungsbescheinigungen wegen Überbesteuerung erteilt wurden.

Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen

Nach § 44a Abs. 5 EStG ist der Zinsabschlag bei betrieblichen Kapitalerträgen i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 sowie Satz 2 EStG nicht einzubehalten, wenn die Kapitalertragsteuer – sowie bis zum Wegfall des Anrechnungsverfahrens auch die anrechenbare Körperschaftsteuer – bei dem Gläubiger der Kapitalerträge auf Grund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer.

Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist, bei Unternehmen mit großen Wertpapierbeständen, die auf Grund der Art ihrer Geschäfte auf Dauer weniger Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zu zahlen haben als ihnen in Gestalt des Zinsabschlags und/oder der Kapitalertragsteuer einbehalten wird, eine zeitweilige Überbesteuerung zu vermeiden. Eine Überbesteuerung auf Grund der Art der Geschäfte liegt nur vor, wenn sie durch die Geschäftsstruktur begründet wird und die Kapitalerträge das Unternehmen auch steuerlich erfolgswirksam als Betriebsausgaben wieder verlassen. Als typischer Beispielsfall werden in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung Lebensversicherungsunternehmen genannt, die ihre Wertpapiererträge weitgehend an die Versicherten weitergeben.

Verlustbranchen und Unternehmen, die Verluste machen

Eine großzügige Auslegung der Tatbestandsmerkmale „auf Grund der Art seiner Geschäfte” und „auf Dauer” steht mit dem Sinn und Zweck des § 44a Abs. 5 EStG nicht im Einklang. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung „Verlustbranchen” oder Unternehmen, die ggf. auch über längere Zeit Verluste erzielen, nicht generell vom Zinsabschlag befreien. Zur näheren Erläuterung verweise ich auf die Ausführungen in der ESt-Kartei, Karte 5.4.1 zu §§ 43 – 45d EStG.

Kommunale Versorgungsbetriebe und Botenbanken

Im Einvernehmen des Bundes und der Vertreter der obersten Finanzbehörden der Länder wurde beschlossen, dass weder kommunale Verkehrs- und Versorgungsbetriebe noch Kreditinstitute ohne eigenes Depotgeschäft (so genannte Botenbanken) die Tatbestandsvoraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG erfüllen.

Eine Bescheinigung wegen Überbesteuerung kann in diesen Fällen daher nicht erteilt werden (vgl. ESt-Kartei, Karte 5.4.2 zu §§ 43 – 45d EStG).

Holdinggesellschaften

Wenngleich die Kapitalerträge von Holdinggesellschaften im betrieblichen Einkünftebereich anfallen und die auf die vereinnahmten Dividendenerträge einbehaltenen Steuerabzugsbeträge sowie ggf. die anrechenbare Körperschaftsteuer regelmäßig höher sind als die festzusetzende Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer, wird die Überbesteuerung nicht durch die „Art der Geschäfte” bedingt, da keine erfolgswirksamen Betriebsausgaben vorliegen. Die Kapitalerträge werden vielmehr in Form von Ausschüttungen als Dividenden weitergegeben.

Eine Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 5 EStG kommt bei Holdinggesellschaften demnach nicht Betracht (s.a. ESt-Kartei, Karte 5.4.2 zu §§ 43 – 45d EStG).

Organgesellschaften

Die subjektive persönliche Steuerpflicht der Organgesellschaft wird durch die Organschaft zwar nicht beeinträchtigt. Zudem bleibt die Organgesellschaft auch Gläubiger der Kapitalerträge. Da jedoch die Versteuerung des zugerechneten Einkommens beim Organträger erfolgt, kann es bei der Organgesellschaft zu keiner Überzahlung i.S. des § 44a Abs. 5 EStG kommen.

Der Organgesellschaft kann deshalb keine Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG erteilt werden. Zur näheren Erläuterung und der Vorgehensweise bei Begründung eines Organschaftsverhältnisses verweise ich auf die ESt-Kartei, Karte 5.4.3 zu §§ 43 – 45 EStG.

 

Normenkette

EStG § 44a Abs. 5

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