Leitsatz

Ist bei einer Tätigkeit ohne Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters unklar, ob es sich umsatzsteuerrechtlich um eine solche des Insolvenzschuldners handelt, entsteht keine Masseverbindlichkeit.

 

Normenkette

§ 35, § 55 InsO, § 174 Abs. 5 Satz 2 AO

 

Sachverhalt

Über das Vermögen des früheren Steuerberaters E, für den ein Berufsverbot besteht, wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. E war nach der Verfahrenseröffnung für die E‐KG (KG) tätig.

Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam das FA B zu dem Ergebnis, dass die KG keinen Geschäftsbetrieb entfaltet habe und steuerpflichtige Umsätze dem E als Einzelunternehmer, nicht aber der KG, zuzurechnen seien.

Hiervon abweichend war das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung D der Auffassung, dass diese Umsätze nicht dem E, sondern der KG zuzuordnen seien, weil diese im Außenverhältnis gegenüber den Mandanten als Vertragspartner aufgetreten sei.

Eine Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO erklärte der Insolvenzverwalter nicht. Aufklärungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters blieben erfolglos. Entsprechend dem FA B ging das FA davon aus, dass nicht die KG, sondern der Insolvenzschuldner E die Umsätze ausgeführt habe und eine Masseverbindlichkeit vorliege. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG (FG Köln, Urteil vom 11.10.2017, 9 K 3566/14, Haufe-Index 11395014, EFG 2018, 149) der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Hinweis

1. Übt der Insolvenzschuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

2.§ 35 Abs. 2 Satz 1 InsO findet keine Anwendung, wenn der Insolvenzverwalter trotz Aufklärungsmaßnahmen keine Kenntnis von umsatzsteuerrechtlich durch den Insolvenzschuldner erbrachten Leistungen hat. Es besteht dann keine Pflicht, eine Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsO abzugeben.

Maßgeblich ist dabei, ob dem Insolvenzverwalter bekannt ist, dass der Insolvenzschuldner Leistungen erbringt, die ihm auch umsatzsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Es reicht nicht aus, dass der Insolvenzschuldner für eine Personengesellschaft tätig ist, dabei aber unklar bleibt, ob die so erbrachten Leistungen umsatzsteuerrechtlich der Personengesellschaft oder dem Insolvenzschuldner zuzurechnen sind.

3. Im Hinblick auf diese Unklarheit ist verfahrensrechtlich dann kein Raum für eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.6.2019 – V R 51/17

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