Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld bei fehlendem Ausbildungsplatz

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Studienbewerbern, die sich für zentral vergebene Studienplätze interessieren, steht erst mit der Ablehnung durch die ZVS bzw. der Hochschule fest, dass er eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG) nicht beginnen kann; dies gilt auch bei Bewerbern mit "schlechtem" Notendurchschnitt.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 Nr. 2 c

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 24.01.2008; Aktenzeichen III B 33/07)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger für die Zeit von April 2005 bis April 2006 einen Anspruch auf Kindergeld für seine Tochter A hat.

Die Tochter des Klägers A beendete im März 2005 ihre Schulausbildung. Mit Schreiben vom 18. August 2005 teilte der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt für A noch Kindergeld bezog, der Beklagten mit, dass seine Tochter im Frühjahr 2005 die Abiturprüfung abgelegt habe, auf einen Studienplatz warte und sich zur Zeit im Ausland befinde. Die Beklagte forderte den Kläger auf, einen Antrag auf Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz auszufüllen und - falls sich seine Tochter um einen Studienplatz beworben habe - den Ablehnungsbescheid vorzulegen. Der Kläger erwiderte, seine Tochter befinde sich auf einer einjährigen Auslandsreise. Danach werde sie sich um einen Studienplatz bewerben. Sie habe sich erkundigt und erfahren, dass die Zeit nach dem Abitur als Studienwartezeit zähle. Zum Sommersemester 2006 werde sie sich erneut um einen Studienplatz bewerben.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2006 wurde die Festsetzung des Kindergeldes für A ab April 2005 aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, A habe die Schulausbildung beendet und befinde sich somit nicht mehr in Ausbildung (§ 32 Abs. 4 Ziff. 2 Buchst. a EStG). Zum Wintersemester 2005/2006 habe sie kein Studium begonnen. Auch ein als Berufsausbildung anzuerkennender Sprachaufenthalt im Ausland, bei dem der Erwerb der Sprachkenntnisse nach Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben werden müsse, liege nicht vor.

Am 31. Januar 2006 legte der Kläger Einspruch ein. Er machte geltend, A wolle Veterinärmedizin studieren. Sie habe sich deshalb bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen informiert und erfahren, dass sie Wartezeiten einhalten müsse, bevor sie ein Studium aufnehmen könne. Zur Anerkennung der Wartezeiten müsse sie sich nicht konkret an einer Universität bewerben. Aus diesem Grund habe sie einen Auslandsaufenthalt durchgeführt, der nebenbei der Vertiefung der Sprachkenntnisse gedient habe. Sie arbeite nicht als Au-pair-Mädchen, sondern nehme nur gelegentlich Minijobs an, soweit es möglich sei. Der Auslandsaufenthalt sei am 9. Mai 2006 beendet. Sie werde sich dann unverzüglich um einen Studienplatz bewerben.

Der Kläger legte ein Schreiben der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS, Bearbeiter Herrn K) vom 8. April 2005 vor, in dem Folgendes ausgeführt wird:

  • "Sehr geehrte Frau R,

    Sie brauchen sich erst bei der ZVS bewerben, wenn Sie das Studium auch tatsächlich aufnehmen wollen. Die Wartezeit zählt ab dem Ausstellungsdatum Ihrer Hochschulzugangsberechtigung bis zum Zeitpunkt Ihrer Bewerbung bei der ZVS in vollen Halbjahren gerechnet. Es zählen nur studienfreie Zeiten, d. h. Sie dürfen an keiner deutschen Hochschule eingeschrieben sein. Ihr Auslandsaufenthalt ist also Wartezeit. Inwieweit ausländische Studienabschlüsse von der Hochschule anerkannt werden, vermag ich nicht zu sagen. Dieses müssten Sie bitte mit der Hochschule direkt abklären."

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. April 2006 wurde der Einspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung sei § 70 Abs. 2 EStG. Danach sei die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben, soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich seien, Änderungen eingetreten seien. Die Aufhebung habe mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ggf. auch rückwirkend, zu erfolgen. Eine solche Änderung der Verhältnisse sei ab April 2005 eingetreten:

Für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet habe, bestehe ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn einer der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - aufgeführten Tatbestände erfüllt sei. Dies sei im Streitfall ab April 2005 nicht mehr der Fall gewesen. Der Auslandsaufenthalt stelle keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG dar. Auch § 32 Abs. 4 Nr. 2 b EStG (Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten) sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da bis zum Ende des 4-Monatszeitraums (August 2005) weder ein weiterer Ausbildungsabschnitt aufgenommen noch eine Ausbildung fortgesetzt worden sei. Auch eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG komme nicht in Betracht. Dies setze voraus, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge