Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtanwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen - Optionsmöglichkeit - bei mittelbarer Beteiligung an Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Die Optionsmöglichkeit nach § 32 d Abs. 2 Nr. 3 b) EStG (Nichtanwendung des gesonderten Steuertarifs nach Abs. 1) besteht auch dann, wenn der Steuerpflichtige an der Kapitalgesellschaft, für die er beruflich tätig ist, nur mittelbar (über eine weitere Kapitalgesellschaft) beteiligt ist.

 

Normenkette

EStG § 32 d Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.03.2018; Aktenzeichen VIII R 1/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Optionsmöglichkeit nach § 32 d Abs. 2 EStG (Nichtanwendung des gesonderten Steuertarifs nach Abs. 1) auch dann besteht, wenn der Steuerpflichtige an der Kapitalgesellschaft, für die er beruflich tätig ist, nur mittelbar (über eine weitere Kapitalgesellschaft) beteiligt ist.

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Geschäftsführer bei der W GmbH. Einzige Gesellschafterin dieser GmbH ist die W Beteiligungs-GmbH, an der der Kläger zu 5,75 % beteiligt ist. In dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der W Beteiligungs-GmbH (= Organträger) und der W-GmbH (= Organgesellschaft) vom 10. Mai 2007 (Bl. 42 - 45 der Gerichtsakte) wurde u.a vereinbart, dass sich die Organgesellschaft der Leitung der Organträgerin unterstelle. Die Organträgerin sei berechtigt, den Geschäftsführern der Organgesellschaft Weisungen für die Geschäftsführung zu erteilen. Geschäftsführung und Vertretung der Organgesellschaft oblägen weiterhin der Geschäftsführung der Organgesellschaft. Die Organgesellschaft verpflichte sich, während der Laufzeit des Vertrages ihren gesamten Gewinn an die Organträgerin abzuführen. Die Organträgerin sei entsprechend den Vorschriften des § 302 Aktiengesetz in der jeweils gültigen Fassung verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Verlust zu übernehmen.

Für das Streitjahr 2009 erklärte der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die W GmbH i.H.v. 155.713,00 € (Bruttoarbeitslohn). In der Anlage KAP beantragte er (in Zeile 24) für die Erträge laut Zeile 25 des Vordrucks die Anwendung der tariflichen Einkommensteuer. In Zeile 25 machte er "laufende Einkünfte aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft" - die W Beteiligungs-GmbH - i.H.v. ./. 10.593,00 € geltend (Bl. 24 der ESt-Akte). In der beigefügten Anlage (Bl. 26 der ESt-Akte) wurden die nach § 32 d Abs. 2 EStG in Ansatz zu bringenden Einkünfte wie folgt berechnet:

Laufende Einkünfte aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer

Kapitalgesellschaft

./. 10.593,00 €

davon steuerfrei nach den §§ 3 Nr. 40, 3 c Abs. 2 EStG

./. 4.237,00 €

verbleiben steuerpflichtig

./. 6.356,00 €

In einer weiteren Anlage (Bl. 41 der ESt-Akte) wurden diese Verluste wie folgt erläutert:

Der Kläger habe sich i.H.v. 5,75 % (230.000,00 €) mit notariellen Verträgen vom 20. Dezember 2006 und 15. Mai 2007 an der W Beteiligungs-GmbH beteiligt. Die Anschaffungskosten der Beteiligung seien fremdfinanziert worden. Der Kläger sei gleichzeitig "für die W GmbH" tätig. Der Antrag zur Option zur tariflichen Besteuerung werde hiermit gestellt. 60 % des Werbungskostenüberschusses (Einnahmen 0,00 €, Werbungskosten aus Darlehenszinsen und -gebühren i.H.v. 10.592,04 € =) 6.355,22 € sei mithin zu berücksichtigen.

Zum Nachweis der geltend gemachten Zinsen und Gebühren wurde ein Jahreskontoauszug für 2009 der finanzierenden Bank vorgelegt (Bl. 42 der ESt-Akte).

Im Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 30. März 2011 (Bl. 45 - 47 der ESt-Akte), der nach § 165 Abs. 1 S. 2 AO teilweise vorläufig erging, wurden die geltend gemachten Werbungskosten bei den Beteiligungseinkünften des Klägers nicht berücksichtigt, allerdings ohne auf diesen Umstand hinzuweisen oder dies zu begründen.

Am 06. April 2011 rief der Prozessbevollmächtigte der Kläger beim Beklagten an und bat - im Wege der schlichten Änderung des Einkommensteuerbescheides - die Werbungskosten zu den Beteiligungseinkünften antragsgemäß zu berücksichtigen.

Mit Schreiben vom 10. Mai 2011 (Bl. 53 f. der ESt-Akte) wies der Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Kläger darauf hin, dass der Kläger Arbeitnehmer der "W-GmbH" sei, die Beteiligung hingegen an der "W Beteiligungs-GmbH" erworben habe. Der Beklagte bat u.a. um Vorlage geeigneter Unterlagen, aus denen ersichtlich sei, mit welchem Anteil die W Beteiligungs-GmbH an der W GmbH beteiligt sei. Daraufhin übersandte der Prozessbevollmächtigte der Kläger (u.a.) die notariellen Urkunden, aus welchen der Erwerb der Anteile an der W Beteiligungs-GmbH hervorgeht, sowie die aktuelle Gesellschafterliste der W GmbH, woraus sich ergibt, mit welchen Anteilen die W Beteiligungs-GmbH an der W GmbH beteiligt ist (Bl. 56 - 97 der ESt-Akte).

Auf Hinweis des Beklagten, dass der Kläger an der Kapitalgesellschaft, für die er tätig sei, ni...

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