Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreie Abfindung und Tarifbegünstigung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird vor dem Arbeitsgericht ein gerichtlich protokollierter Vergleich abgeschlossen, der eine zuvor ausgesprochene außerordentliche Kündigung in einzelnen Punkten anderweitig regelt z.B. eine Abfindung gewährt, liegt nicht eine lediglich bestätigende, sondern eine inhaltlich neue Entscheidung vor mit der Folge, dass die Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei ist.

Bei der Frage der Tarifbegünstigung des darüber hinausgehenden Betrages ist der Anlass der Kündigung zu beurteilen. Eine Tarifbegünstigung entfällt, wenn die Kündigung auf ein Fehlverhalten des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

 

Normenkette

EStG §§ 34, 24 Abs. 1 Nr. 1a; StG § 3 Nr. 9

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.11.2004; Aktenzeichen XI R 14/04)

BFH (Urteil vom 10.11.2004; Aktenzeichen XI R 14/04)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die vom Kläger in 1997 erhaltene Abfindung von 64.400,00 DM in Höhe von 24.000,00 DM nach § 3 Nr. 9 Einkommensteuergesetz -EStG- steuerfrei ist und in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages tarifbegünstigt nach §§ 24, 34 EStG behandelt werden kann.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war als Angestellter bei der Stadtsparkasse X tätig und hat bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eine Entschädigung in Höhe von 40.400,00 DM angegeben, die er beantragte, mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Entsprechend erging der Einkommensteuerbescheid am 6. Juli 1999. Der Bescheid stand gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Rahmen einer Betriebsprüfung (der Kläger erzielt noch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) wurde folgender Sachverhalt festgestellt: Im Jahre 1997 hat die Stadtsparkasse X das zu diesem Zeitpunkt mehr als 15 Jahre bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25. August 1997 fristlos gekündigt. Anlass der Kündigung war der Umstand, dass der Kläger private Telefonate von seinem Arbeitsplatz aus geführt hatte, ohne hierüber entsprechend abzurechnen. Da der Kläger bereits zuvor durch seinen Arbeitgeber auf diese Verpflichtung hingewiesen wurde, sprach der Arbeitgeber die fristlose Kündigung aus. Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben. In einer Vereinbarung vom 19. November 1997 haben der Kläger und die Sparkasse X nach Erörterung der Sach- und Rechtslage folgenden Vergleich geschlossen:

„1. Die Parteien lösen das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 25. August 1997 auf.

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung gem. §§ 9/10 KSchG, § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von 64.400,00 DM - i.W: Vierundsechzigtausend Deutsche Mark -

3. Die Beklagte stellt dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis aus.

4. Damit sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abgegolten.

5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.?

In der Einkommensteuererklärung und im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid war die Abfindung bis zu einem Betrag von 24.000,00 DM nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei belassen. Im Anschluss an die Betriebsprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die Abfindung in vollem Umfang steuerpflichtig und nicht dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sei, weil der Kläger entscheidend für die Kündigung verantwortlich gewesen sei. Entsprechend hat der Beklagte am 26. April 2000 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1997 erlassen. Hiergegen haben die Kläger Einspruch eingelegt auch hinsichtlich anderer Punkte im Betriebsprüfungsbericht. Wegen dieser anderen Punkte war der Einspruch teilweise begründet. In der Einspruchsentscheidung vom 26. März 2001 wurde der Einspruch hinsichtlich der Abfindung als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage tragen die Kläger vor, dass die Abfindung in Höhe von 24.000,00 DM nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei sei, da das Arbeitsverhältnis durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich aufgelöst worden sei. Durch diesen Vergleich hätten die Parteien nicht nur das schwebende arbeitsgerichtliche Verfahren beendet, sondern sich auch über die einvernehmliche Aufhebung des Dienstverhältnisses geeinigt. Die gegenteilige Auffassung des Beklagten, nach der das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden sei, sei schlicht rechtsirrig. Die Parteien hätten die Frage gerade offengelassen, ob die außerordentliche Kündigung wirksam gewesen sei oder nicht. Um diesbezügliche Unklarheiten nicht richterlich klären lassen zu müssen, hätten sie den Vergleich geschlossen. Durch den Vergleich sei entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers bestätigt oder für wirksam erklärt worden. Der arbeitsgerichtliche Beendigungsgrund des Dienstverhältnisses sei ausschließlich der Vergleich gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei zwar zum gleichen Zeitpunkt beendet worden wie die außerordentliche Kündigung hätte wirksam sein sollen, woraus aber nicht geschlossen werden könnte, dass dur...

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