Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit von Änderungsbescheiden wegen nachträglich beantragter getrennter Veranlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand (hier: Wahl der getrennten Veranlagung statt einer Zusammenveranlagung) entschieden worden ist.
  2. In den Fällen der Änderung eines Einkommensteuerbescheides wegen Verlustrücktrags können die Ehegatten das Veranlagungswahlrecht grundsätzlich bis zur Unanfechtbarkeit des Änderungsbescheides erneut ausüben, und zwar unabhängig von dem durch den Verlustabzug eröffneten Korrekturspielraum.
  3. Durch die notwendige Beiladung zum Klageverfahren des einen Ehegatten ist der Ablauf der Festsetzungsverjährung für den anderen Ehegatten gehemmt.
 

Normenkette

FGO § 110 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 57 Nr. 3, § 60 Abs. 3, § 122 Abs. 1; EStG § 26 Abs. 1, §§ 26a, 26b

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen III R 48/03)

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war in den Streitjahren verheiratet. Er wurde mit seiner früheren Ehefrau (Beigeladene) vom Finanzamt zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Ehe wurde im Dezember 1986 geschieden.

Das Finanzamt hatte die Einkommensteuer 1982 und 1983 zunächst antragsgemäß zusammenveranlagt (Einkommensteuerbescheid 1982 vom 12.12.1984: 55.578 DM, Einkommensteuerbescheid 1983 vom 23.08.1985: 78.498 DM). Die Einkommensteuerbescheide wurden bestandskräftig.

Mit geänderten Bescheiden vom 30.05.1.988 erhöhte das Finanzamt die Einkommensteuer 1982 auf 69.786 DM und die Einkommensteuer 1983 auf 114.994 DM. Die Änderung der Bescheide beruhte auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Gegen diese Bescheide legten der Kläger und die Beigeladene mit Schreiben vom 23.06.1988 Einspruch ein.

Mit Bescheiden vom 10.08.1989 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 1984 nach §§ 173 Abs. 1 Nr. 1, 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 und berücksichtigte einen gewerblichen Verlust der Klägerin nach § 17 EStG in Höhe von rund 1 Mio. DM. Dabei führte das Finanzamt antragsgemäß eine getrennte Veranlagung durch. Gleichzeitig mit der Änderung der Einkommensteuerveranlagung 1984 nahm das Finanzamt den Verlustrücktrag nach § 10d EStG für die Jahre 1982 und 1983 vor. Dies führte zu einer Einkommensteuerfestsetzung für 1982 und 1983 von jeweils 0 DM (Bescheide vom 10.08.1989).

Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1982 und 1983 vom 10.08.1989 legte die Beigeladene mit Schreiben vom 21.08.1989 erneut Einspruch ein und beantragte, auch für diese Jahre eine getrennte Veranlagung durchzuführen. Mit Einspruchsentscheidung vom 05.04.1990 lehnte das Finanzamt die Durchführung einer getrennten Veranlagung ab. Dabei sah es in dem Schreiben der Beigeladenen vom 21.08.1989 die Erweiterung des Rechtsbehelfs vom 23.06.1988. Dementsprechend wies das Finanzamt "die Einsprüche vom 23.06.1988... gegen die Einkommensteuerbescheide 1982 und 1983 vom 30.05.1988 - in der geänderten Form vom 10.08.1989 -" als unbegründet zurück. Der Kläger hatte in diesem Verfahren beantragt, an der Zusammenveranlagung für die Jahre 1982 und 1983 festzuhalten.

Hiergegen erhob die frühere Ehefrau des Klägers (Beigeladene) Klage, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgte. Das Finanzgericht lud im Laufe des Klageverfahrens (Az. 11198/90) den Kläger zum Klageverfahren notwendig bei (Beschluss vom 24.11.1995). Mit Urteil vom 13.12.1995 hob das Gericht die geänderten Einkommensteuerbescheide 1982 und 1983 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das Finanzamt, Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1982 und 1983 im Wege der getrennten Veranlagung für die Klägerin durchzuführen.

Gegen das Urteil legten sowohl das Finanzamt als auch der Kläger Revision ein. Der Bundesfinanzhof wies die Revisionen mit Urteil vom 20.01.1999 (Az. XI R 31/96) als unbegründet zurück. Im Ergebnis bestätigte der Bundesfinanzhof die Vorentscheidung, wonach die Beigeladene ihre früher getroffene Wahl der Zusammenveranlagung habe frei widerrufen und die getrennte Veranlagung für die Streitjahre beantragen können. Ein Rechtsmissbrauch sei nicht gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die BFH-Entscheidung verwiesen. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Das Finanzamt führte dementsprechend für den Kläger und die Beigeladene für die Jahre 1982 und 1983 jeweils getrennte Einkommensteuerveranlagungen durch. Mit Steuerbescheiden vom 01.03.2000 wurde die Einkommensteuer 1982 des Klägers auf 81.779 DM, die Einkommensteuer 1983 auf 121.122 DM festgesetzt. Mit Steuerbescheiden vom 28.02.2000 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 1982 und 1983 der Beigeladenen auf jeweils 0 DM fest.

Der Kläger legte gegen die Einkommensteuerbescheide vom 01.03.2000 Einspruch ein. Das Finanzamt zog die frühere Ehefrau des Klägers zum Rechtsbehelfsverfahren hinzu (§ 360 AO 1977). Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Einspruchsentscheidungen vom 22.01.2001 wurden dem Kläger bzw. der Beigeladenen jeweils einzeln bekannt gegeben.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Kläger hat Klage e...

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