rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorliegen unangemessener Repräsentationsaufwendungen hier: Aufwendungen für Abschiedsfeier in Höhe von 94.980 €

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG ist lex specialis gegenüber § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG und führt zu einem vollständigen Abzugsverbot.

2. Aufwendungen für ähnliche Zwecke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG setzen voraus, dass hinsichtlich des Ortes der Veranstaltung oder der Art und Weise der Unterhaltung der Gäste besondere Umstände erkennbar sind, die die Veranstaltung von einer gewöhnlichen Feierlichkeit abheben. Die Vergleichbarkeit mit den im Gesetz genannten Einrichtungen kann sich entweder aus Besonderheiten hinsichtlich des Ortes und Rahmens der Veranstaltung (Beschaffenheit, Lage, Ausstattung) oder einem besonderen qualitativ hochwertigen Unterhaltungsprogramm am Ort der Veranstaltung ergeben.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nrn. 2, 4, § 9

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die im Zusammenhang mit der Abschiedsfeier des Klägers geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 94.980 € als Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG anzuerkennen sind.

Die Kläger sind Ehegatten und werden gemäß §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war über 35 Jahre hinweg zuerst als Geschäftsstellenleiter und später als Geschäftsführer der X GmbH tätig. Seit 1999 war er auch als Gesellschafter zu ¼ beteiligt. Zum 31.12.2014 endete die Gesellschafterstellung und das Amt des Geschäftsführers wurde zum 11.02.2015 aufgegeben.

Mit Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2015 machte der Kläger u.a. Aufwendungen für eine Abschiedsfeier für seine früheren Mitarbeiter und Geschäftspartner von der X GmbH geltend. Die Feier fand am 19.06.2015 am Hofgut in Stadt 1 statt. Der Kläger legte die Rechnung des Eventbüros vom 25.06.2015 über den Betrag von 94.980 € netto, eine Gästeliste und eine Speisenkarte vor. Nach Angaben des Klägers wurden insgesamt 162 Gäste bewirtet, davon 88 Mitarbeiter mit 37 Ehepartnern, zwei Rentner mit Partnern, drei ehemalige Mitarbeiter, drei Geschäftspartner mit einem Ehepartner, acht Mitarbeiter der Hauptgesellschafterin, elf Familienmitglieder und sechs sonstige Gäste.

Das Finanzamt veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 26.10.2017.

Als Aufwendungen für die Abschiedsfeier wurden 17.160 € (156 x 110 €) berücksichtigt.

In einem dem Bescheid als Anlage beigefügten Erläuterungsschreiben ist ausgeführt: "Die Bewirtungskosten im Rahmen der Abschiedsfeier können nur insoweit berücksichtigt werden als sie in ihrer Höhe angemessen sind (§ 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. 4 Abs. 5 Nr. 2 und 7 EStG). Als angemessene Kosten können 110 € incl. USt (§ 19 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 EStG) je Gast angesehen werden. Die übersteigenden Kosten können als Werbungskosten nicht berücksichtigt werden."

Der nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderte Bescheid vom 19.09.2018 blieb ohne Änderung im Streitpunkt.

Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, dass die Aufwendungen in voller Höhe anzusetzen seien. Unstreitig stünden die Ausgaben für die Abschiedsfeier von der X GmbH in engem Zusammenhang mit seiner dortigen nichtselbständigen Tätigkeit und auch mit seiner Stellung als Gesellschafter und Geschäftsführer. Bei der Beurteilung der Angemessenheit müsse noch berücksichtigt werden, dass der Kläger das Unternehmen mit aufgebaut und zu wirtschaftlichem Erfolg geführt habe. Dies würde sich auch in dem Abfindungsbetrag beim Ausscheiden und den erheblichen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit sowie den Kapitalerträgen aus der GmbH widerspiegeln. Im Lichte eines ermittelten Aufgabegewinns von xx € erscheine eine vom Finanzamt mit 110 € pro Gast gezogene Angemessenheitsgrenze in diesem Einzelfall nicht sachgerecht. Rechnerisch würden auf jeden Gast 586,30 € entfallen. Bei Abzug der Aufwendungen für Gäste aus dem familiären Bereich ergäbe sich ein Abzugsbetrag i.H.v. 85.013 €.

Im Einspruchsverfahren vertrat das Finanzamt mit Schreiben vom 23.06.2021 die Auffassung, dass die berufliche Veranlassung der Veranstaltung unstreitig sei. Allerdings deute der Charakter der Feierlichkeit auf eine den privaten Lebensbereich berührende Mitveranlassung hin. § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 4 und7 EStG schränke den Abzug der beruflich veranlassten Aufwendungen, die die Lebensführung der Kläger beträfen, ein. Unter Berücksichtigung der Stellung des Klägers und seiner Verdienste für das Unternehmen könnten demnach Werbungskosten in Höhe von 55.741 € anerkannt werden. Das entspräche Kosten von über 380 € pro Person.

Da die Prozessbevollmächtigte diesen Vorschlag mit Schreiben vom 19.07.2021 ablehnte und um eine rechtsmittelfähige Entscheidung bat, drohte das Finanzamt mit Schreiben vom 23.09.2021 unter Fristsetzung bis zum 27.10.2021 eine Verböserung dahin an, dass keinerlei Aufwendungen der Feier angesetzt werden.

Der Begriff der Aufwendungen für "ähnliche Zwecke" i.S.d.§ 4 Abs. 5 Nr. 4 EStG sei erfüllt.

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